Der Medicus von Saragossa
zugeteilt. So mußten Adriana und ihr Vater fünf Jahre lang in den Häusern der anderen leben, da ihr Haus als letztes gebaut wurde. Es war außerdem das kleinste, aber so solide gebaut wie die anderen, und als sie endlich einzogen, erschien es ihr wie der Himmel der Ungestörtheit. Dieses Jahr – das Jahr, als sie dreizehn wurde – war ihre glücklichste Zeit in Pradogrande. Sie war die Herrin im Haus ihres Vaters und vernarrt in das Tal wie alle anderen. Sie kochte und putzte, und sie sang bei der Arbeit, so zufrieden war sie mit ihrem Schicksal. Es war das Jahr, in dem ihre Brüste sprossen; es ängstigte sie ein wenig, und doch schien es ganz natürlich, weil alles um sie herum wuchs und gedieh. Ihre erste Blutung hatte sie mit elf gehabt, und Leona Patras, die betagte Gattin von Abram Montelvan, war sehr freundlich zu ihr gewesen und hatte ihr gezeigt, was sie in den Zeiten ihrer Regel tun mußte.
Im Jahr darauf erlebte die Gemeinde ihren ersten Todesfall. Fineas ben Sagan starb an einer Lungenkrankheit. Drei Monate nach Sagans Beerdigung sagte Adrianas Vater zu ihr, daß er Carlos' Witwe, Sancha Portal, heiraten werde. Joaquin erklärte seiner Tochter, daß die schwer arbeitenden Männer Pradograndes einerseits Zuwanderung von außen zwar ablehnten, sich andererseits aber bewußt waren, daß sie im Lauf der Jahre jedes zusätzliche Paar Hände dringend brauchen würden. Man war übereinstimmend der Meinung, daß große Familien der Schlüssel zur Zukunft waren, und so wurden alleinstehende Erwachsene ermutigt, so bald wie möglich zu heiraten. Sancha Portal war bereit, Joaquin zu heiraten; sie war eine noch immer gutaussehende und kräftige Frau, und er war mit Freuden bereit, seine Pflicht zu erfüllen. Nun sagte er Adriana, daß er zu Sancha ziehen würde, doch sie hatte fünf Kinder, und das Haus war bereits überfüllt. Adriana sollte deshalb im kleinen Haus ihres Vaters wohnen bleiben und ihre neue Familie an Sonn- und Feiertagen besuchen.
Nachdem in der Mitte des Dorfes eine kleine Kirche und ein Pfarrhaus errichtet worden waren, hatte Joaquin zu der Abordnung gehört, die nach Huesca gereist war, um bei den dortigen Kirchenoberen die Zuweisung eines Priesters für ihre neue Gemeinde zu erbitten. Padre Pedro Serafino, ein stiller, schüchterner Mann in Schwarz, hatte sie zurück nach Pradogrande begleitet und Joaquin und Sancha getraut. Bei seiner Rückkehr nach Huesca berichtete er seinen Vorgesetzten von der neuen kleinen Kirche und dem gemütlichen, aber leeren Pfarrhaus, und einige Monate später kam der Mönch eines Tages aus dem Wald geritten und verkündete den Siedlern, daß er zu ihrem Priester bestellt worden war. Die Dörfler besuchten mit Freuden seine Messe, denn sie fühlten sich so katholisch wie ein Bischof. »Falls jetzt je feindselige Augen unsere Gemeinde mustern sollten«, hatte Joaquin seiner Tochter gesagt, »wird nicht einmal die Inquisition die herausragende Stellung unserer Kirche und unseres Pfarrhauses leugnen können. Und wenn sie sehen, wie unser Priester unermüdlich auf seinem kleinen Maultier durchs Tal reitet, werden sie zu dem Schluß kommen müssen, daß Pradogrande eine Gemeinde echter Christen ist.«
In diesen Tagen war Adriana froh, allein zu leben. Es war einfach, das Haus ordentlich und sauber zu halten, wenn nur ein Mensch darin wohnte. Sie hatte viel zu tun, buk Brot und zog in ihrem Garten Gemüse, um die große Familie ihres Vaters zu unterstützen, und spann die Wolle seiner Schafe. Anfangs lächelten alle, wenn sie Adriana sahen, die Frauen wie die Männer. Ihr Körper entwickelte sich nun endgültig zu dem einer Frau; ihre Brüste wuchsen zwar nicht groß, waren aber wohlgeformt, und ihre junge Gestalt war groß und geschmeidig und sehr fraulich. Bald merkten die Ehefrauen des Dorfes, wie die Männer das Mädchen anstarrten, und einige Frauen klangen auf einmal kalt und verärgert, wenn sie mit ihr sprachen. Sie hatte zwar noch keine Erfahrung, wohl aber Wissen; einmal hatte sie Pferde bei der Paarung gesehen und beobachtet, wie der wiehernde Hengst mit einem Geschlechtsteil wie ein Knüppel auf den Rücken der Stute gestiegen war. Auch hatte sie Böcke und Schafsweibchen beobachtet. Sie wußte, daß Menschen sich anders paarten, und fragte sich, was genau wohl vor sich ging, wenn Männer sich mit Frauen niederlegten.
Adriana war sehr bekümmert, als Leona Patras in diesem Frühling krank wurde. Sie besuchte sie und bemühte sich, ihre Freundlichkeit
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