Der Medicus von Saragossa
solide Bauernhäuser mit Stall und Scheune entweder unter oder neben den Wohnräumen.
Im ersten Sommer im Tal bauten sie drei fincas, in denen sich die Frauen und Kinder in diesem Winter zusammendrängten, während die Männer in den Wagen Unterschlupf fanden. In den folgenden fünf Sommern wurden die übrigen Häuser und die Kirche errichtet.
Die vier erfahrenen Bauern wurden die Einkäufer der Gemeinde. »Zuerst gingen sie nach Jaca«, sagte Benzaquen, »wo sie ein paar Schafe und etwas Saatgut kauften, aber Jaca war zu klein, um ihre Bedürfnisse zu befriedigen, und so machten sie sich beim nächsten Mal auf die längere Reise nach Huesca, wo sie eine größere Auswahl an Vieh angeboten fanden. Von dort brachten sie uns Säcke mit gutem Saatgut, eine Reihe von Werkzeugen, Obstbaumsetzlinge, weitere Schafe und Ziegen, Schweine, Hühner und Gänse.«
Einer der Männer war Sattler gewesen und ein anderer Schreiner, und beide Berufe waren für die neugegründete Gemeinde ein Segen. »Aber die meisten von uns waren Händler gewesen. Als wir beschlossen, in Pradogrande zu bleiben, wußten wir, daß wir unser Leben würden ändern müssen. Am Anfang war es entmutigend und schwer, die Körper von Händlern an die schwere Arbeit zu gewöhnen, aber wir waren neugierig auf das, was die Zukunft uns bringen würde, und sehr lernbegierig.
Seit elf Jahren sind wir nun da, und wir haben den Boden urbar gemacht und Felder und Obstgärten angelegt«, schloß Benzaquen.
»Ihr habt viel erreicht«, erwiderte Jona ehrlich beeindruckt.
»Es wird bald dunkel, aber morgen will ich Euch durch das Tal führen, damit Ihr es mit eigenen Augen sehen könnt.«
Jona nickte abwesend. »Diese Frau Adriana... ist ihr Gatte auch ein Bauer?«
»Jeder in Pradogrande ist Bauer. Aber Adrianas Mann ist nicht mehr. Sie ist Witwe«, sagte Benzaquen, schnitt noch eine Scheibe vom Lamm ab und drängte seinen Gast, die Gelegenheit zu nutzen und sich an dem guten Fleisch satt zu essen.
»Er sagt, er erinnert sich an mich als kleines Kind«, sagte Adriana Chacon an diesem Abend zu ihrem Vater. »Das ist merkwürdig, denn ich erinnere mich überhaupt nicht an ihn. Erinnerst du dich an ihn?«
Joaquin Chacon schüttelte den Kopf. »Nein. Aber vielleicht habe ich ihn einmal getroffen. Dein Großvater Isaak kannte sehr viele Leute.«
Es kam ihr merkwürdig vor, daß dieser Neuankömmling behaupten konnte, Dinge über sie zu wissen, an die sie sich nicht erinnern konnte. Wenn sie an ihre Kindheit zurückdachte, war es, als würde sie von einer Bergspitze auf eine weite Landschaft herabblicken; das Nahe war klar und deutlich, doch weiter Zurückliegendes verschwamm in der Entfernung, bis nichts mehr zu erkennen war. Sie hatte überhaupt keine Erinnerungen an Granada und nur wenige an Pamplona. Sie erinnerte sich daran, lange Zeit auf einem Wagen gefahren zu sein. Die Wagen waren mit einem Sonnenschutz überspannt, aber es war sehr heiß, und sie reisten fast nur in den frühen Morgenstunden und am späten Nachmittag und rasteten in der Mittagshitze an schattigen Plätzchen. Sie erinnerte sich an das heftige und beständige Holpern des Wagens auf unwegsamen Pfaden, an das Knarzen des Ledergeschirrs, an das Trappeln der Hufe. An den ewigen Staub, der manchmal zwischen den Zähnen knirschte. An den grasigen Geruch der Kotkugeln, die Pferde und Maultiere hinter sich ließen und die von den Rädern der Wagen, die ihnen folgten, platt gedrückt wurden.
Adriana war acht Jahre alt damals, und verzweifelt vor Einsamkeit saß sie allein auf der Ladefläche des Wagens und sehnte sich nach ihren Lieben, die sie erst kürzlich verloren hatte. Ihr Vater, Joaquin Chacon, behandelte sie zärtlich, wenn er daran dachte, aber meistens saß er vorne auf dem Bock und lenkte stumm und fast blind vor eigenem Kummer seine Pferde. Ihre Erinnerung an die Ereignisse während der Fahrt durchs Gebirge waren verschwommen, sie wußte nur noch, daß sie eines Tages in dieses Tal gekommen waren und sie froh gewesen war, daß die Reise ein Ende hatte.
Ihr Vater, der im früheren Leben Seidenhändler gewesen war, leistete jetzt seinen Teil der Landarbeit, aber in den ersten Jahren in Pradogrande hatte er am Bau der Häuser mitgearbeitet. Er war ein achtbarer Maurer geworden und hatte gelernt, Steine so überlappend zu setzen, daß standhafte Mauern daraus wurden. Die Häuser, die sie aus Flußsteinen und Holzstämmen errichteten, wurden den Familien in der Reihenfolge ihrer Größe
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