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Der Medicus von Saragossa

Titel: Der Medicus von Saragossa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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ben Helkias Tole-dano, nun Ramón Callicó genannt, allein und wie in einem Traum durch das vormittägliche Sonnenlicht ritt.
    Auf der Straße zwischen Tembleque und Toledo. In Gedanken an seinen Vater und singend, wie er gesungen hatte.
    Oh, der Wolf wird zu Gast sein bei dem Lamme Und der Panther bei dem Böcklein lagern. Kuh und Bärin werden sich befreunden, Der Löwe wird Stroh fressen wie das Rind...
    Als er sich Toledo näherte, weckte alles, was er sah, in ihm zugleich Freude und Schmerz. Hier war er manchmal mit anderen Knaben spazierengegangen, vertieft in ernste, erwachsene Gespräche – über Talmud-Lektionen und über die Natur und die Vielfältigkeit der geschlechtlichen Vereinigung, darüber, was sie als erwachsene Männer sein würden, und über die Gründe für die unterschiedlichen Formen der weiblichen Brust.
    Hier war der Stein, auf dem er, nur zwei Tage vor der Schandtat, mit seinem Bruder Meir gesessen und mit ihm abwechselnd auf der maurischen Gitarre gespielt hatte.
    Hier war der Pfad zu dem Haus, in dem einst Bernardo Espina gelebt hatte, der ehemalige Arzt von Toledo, möge Gott auch seiner katholischen Seele ewigen Frieden gewähren.
    Hier war der Pfad zu der Stelle, wo Meir ermordet worden war. Hier war die Wiese, wo Jona manchmal die Herde seines Onkels, Aarons des Käsers, gehütet hatte. Hier war der Hof, wo Aaron und Juana gelebt hatten; jetzt spielten fremde Kinder vor der Tür.
    Jona ritt durch den im Sonnenlicht funkelnden Tajo, die Hufe der Stute klapperten durch die helle, klare Furt, und Wasserspritzer benetzten ihm die Beine.
    Dann ritt er den steilen Pfad zum Hochufer hinauf, den Pfad, den Mose damals so sicheren Schritts im Dunkel der Nacht hinabgestiegen war und den jetzt die arme Stute in hellem Tageslicht so ungeschickt und nervös hinaufstolperte.
    Oben auf der Anhöhe war alles unverändert.
    Mein Gott, dachte er, du hast uns vernichtet und in alle Winde verstreut, aber diesen Ort hast du so gelassen, wie er war.
    Langsam ritt er den schmalen Hochuferweg entlang. Die Häuser waren genauso wie in seiner Erinnerung. Der alte Nachbar, Marcelo Troca, lebte noch, eben grub er seinen Garten um, während in der Nähe ein Esel lustlos seinen Abfall fraß.
    Das Haus der Toledanos stand noch. Ein Gestank lag in der Luft; je näher Jona kam, um so stärker wurde er. Das Haus war erneuert worden. Nur... wenn man wußte, wo man hinsehen mußte, und wenn man sehr genau suchte, konnte man noch schwach die Spuren des damaligen Feuers erkennen.
    Jona hielt an und stieg ab.
    Das Haus war bewohnt. Ein Mann mittleren Alters trat aus der Tür und erschrak, als er Jona, die Zügel des Pferdes in der Hand, dort stehen sah.
    »Buenos dias, Señor. Wünscht Ihr etwas von mir?«
    »Nein, Señor. Ich fühle mich nur etwas benommen, ein leichter Sonnenstich vielleicht. Gestattet Ihr, daß ich mich im Schatten hinter Eurem Haus ein wenig ausruhe?«
    Der Mann musterte ihn ängstlich, sah das Pferd, den Brustharnisch, Mingos Dolch, das Schwert, das an Jonas Seite hing, und den harten Ausdruck im Gesicht des bärtigen Fremden. »Ihr könnt den Schatten unseres Hauses aufsuchen«, sagte er widerwillig. »Kühles Wasser ist auch da. Ich bringe Euch etwas zu trinken.«
    Hinter dem Haus suchte Jona sofort den losen Stein, hinter dem er die Botschaft für seinen Bruder Eleasar versteckt hatte. Aber es gab keinen losen Stein mehr. Die Stelle war verputzt worden.
    Der Gestank kam hinter dem Schuppen hervor, in dem sein Vater seine Werkstatt gehabt hatte. Dort sah er Felle und Tierhäute, einige in Fässern, wo sie einweichten, bevor man sie abschaben konnte, andere zum Trocknen aufgehängt. Er suchte die Stelle, wo sein Vater begraben lag, und sah, daß dort eine Eiche wuchs, die schon fast so groß war wie er.
    Der Hausbesitzer kehrte mit einem hölzernen Becher zurück, und Jona leerte ihn in einem Zug, obwohl er dabei das Gefühl hatte, den Gestank mit hinunterzuschlucken. »Ihr seid Gerber, wie ich sehe.«
    »Ich bin Buchbinder und mache mein Leder selbst.« »Darf ich mich noch für einen Augenblick hinsetzen?« »Wie es Euch beliebt, Señor.« Doch der Mann blieb bei ihm und beobachtete ihn aufmerksam – hatte Jona es vielleicht auf eine der feuchten und stinkenden Häute abgesehen? Wahrscheinlich sorgte der Mann sich mehr um die wertvollen Bücher, die er in seiner Werkstatt aufbewahrte, vielleicht hatte er auch Gold. Jona schloß die Augen und sagte in Gedanken das Kaddisch auf. Voller Verzweiflung

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