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Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition)

Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition)

Titel: Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes K. Soyener , Wolfram zu Mondfeld
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Beobachtungen vor, doch wo immer das Wasser die Oberhand gewinnt, da ist der Stollen verloren. Das können, das dürfen wir uns nicht leisten. Das Wasser muß noch besser, noch schneller durch unsere Wasserkunst aus den Tiefen gehoben werden. Freilich darf es auch nicht viel mehr werden – wir liegen an der Grenze.«
    Der Stollen verläuft stets schwach gekrümmt nach links, in südöstlicher Richtung. Das gelblich-rötliche Gestein um mich herum zeigt an, daß wir unseren Schwazer Dolomit erreicht haben. Gleich wird sich der Stollen teilen, wobei der Hauptstollen nach Osten abbiegen, das Kienberg-Revier im Norden umgehen und noch mal nach Osten weiterfuhren wird. Vom Mundloch bis zum Krummörter-Revier ist der Sigmund-Stollen 1235 Lachter lang. Das Ganze hatten wir Bergleute mit Schlägel und Eisen, in Schrämmarbeit, in 26 Jahren aus dem Felsen gebrochen. Ich kann mich noch an die Vortriebsarbeiten der letzten Jahre erinnern, die uns der Dolomit zugestanden hatte: einen halben, einen drittel Fingerbreit Stollen pro Tag in drei Schichten! Wir konnten gerade unsere Kappen damit füllen. Die Breite der Schrämmstollen ist recht einheitlich, liegt bei gut zwei Fuß. Die Höhe hingegen variierte zwischen zwei und elf Fuß – je härter der Fels, desto niedriger die Decke. Die Knochenarbeit ist mühselig genug.
    Doch die Steigerung von mühselig heißt abteufen – den Stollen senkrecht in die Tiefe schlagen! Was hatten wir hier beim Fürstenbau geleistet …!
    Im Fürstenbau, dem wir nun eilig zustreben, waren die Erze bis weit unter die Sohle des Sigmund-Erbstollens hinab als reich und edel zu bezeichnen. Die Gangmächtigkeit beträgt fast sieben Fuß, was nicht gleich heißt, daß es sich hierbei um sieben Fuß Derberz handelt. Nein, es sind neben- und ineinander verlaufende Erzbänder mit etwa je einem halben Fuß Derberz. Freilich – sie liegen weit unterhalb des Bergwasserspiegels. Seit 1515 waren die Knappen dabei, beim Fürstenbau den berühmten Schrägschacht weiter und weiter abzusenken, um dem Erz keine Chance des Vergessens zu geben.
    Die Wasserwellen, die in regelmäßigen Abständen die Bohlen, auf denen wir laufen, zu überfluten drohen, sind das in Schüben gehobene Grubenwasser aus diesem Tiefenbau. Allein aus dieser Hölle hatten die Knappen in gut 60 Jahren ein Stollensystem von 4000 Klafter Länge herausgebrochen. Alle Stollen werden dort unten am Schrägschacht, der mit einer Neigung von 80 Grad in die Tiefe zieht, fördertechnisch in günstigen Abständen seitlich angesetzt.
    Wahrhaftig ein Abgrund im Berg! Er erreicht jetzt 125 Klafter Tiefe! Die Wässer aus den Stollen können so zum Schrägschacht hin abrinnen und von dort aus gehoben werden.
    Die »Martyrien-Stollen«, wie sie insgeheim genannt werden, heißen in absteigender Reihenfolge: Mitterraindl, Sagstecher, Kaltenbrunner, Raber, Klausen, Neubau, Grandi und Gapl. Mühsal, Schinderei, Knochenarbeit, Hinfälligkeit, Krüppel, Siechtum, Krankheit und Tod hätte man sie genauso bezeichnen können, wobei jeder einzelne Stollen, der tiefer und tiefer aufgeschlagen wird, gleichzusetzen ist mit einer Verdopplung der Martyrien!
    »Der Gapl-Stollen steht jeden Tag vor dem Absaufen!« klingt Reisländers Stimme wieder auf. »Das macht mir neben der neuen Situation im Raber-Liegendbau die größten Sorgen.«
    In wenigen Schritten würden wir am Kopf des Schrägschachtes und beim Wassergappl sein, dann würden wir zumindest wissen, wie es mit dem Wasser im Tiefenbau ausschaute.
    »Beim Raber wird’s schwer werden mit der Entscheidung – wenn wir überhaupt noch entscheiden können. Ich meine wegen des Herrn Marx Fugger«, schneide ich das Problem vorsichtig an. »Der Herr Siegmund soll ja heute auch im Berg sein.«
    Der Bergmeister schweigt.
    Das Wap-Wap-Wap der oberschlächtig betriebenen Wasserräder dringt in dieser Pause aus der Radstube an mein Ohr. Wir sind am Tiefenbau angekommen.
    Theobald Freitag, ein weiterer Schiener, kommt uns entgegengehastet. »Das Berggespenst geht wieder um«, raunt er uns im Vorbeieilen zu.
    Reisländer runzelt die Augenbrauen.
    »Der gnädige Herr will offenbar tatsächlich selbst verfugen«, bemerke ich ärgerlich, »ob wir den Schiefer durchschlagen sollen oder nicht.«
    Wir betreten den Fürstenbau – unsere »Kapelle im Berg«, wie ich das Gewölbe getauft hatte.
    Der mit herrlichem Trockengewölbe abgesicherte Schachtkopf hat eine Höhe von gut 13 Lachter. An dieser Stelle mündet auch die rechte Gabelung

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