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Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition)

Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition)

Titel: Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Johannes K. Soyener , Wolfram zu Mondfeld
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klage
Den frühen Fall des frommen Lancaster.
Du eiskalt Bildnis eines heiligen Königs!
Vergönnt sei’s aufzurufen deinen Geist,
Daß er der armen Anne Jammer höre.«
    Und dann zieht sie los über den Schurken: »Grauser Höllenbote« - »Giftiger Abschaum eines Mannes« – »Klumpe schnöder Mißgestalt« – »Schnöder Molch …«
    Er hingegen redet sie durchaus korrekt mit »Engel« und »süße Heilige« an.
    Das Publikum drunten hat durchaus seinen Spaß an diesem Streit, ich hingegen höre nur noch mit halbem Ohr zu, wie Richard Gloucester weiterfaselt:
    »Nein, lehr’ nicht deine Lippen solchen Hohn:
Zum Kuß geschaffen, Herrin, sind sie ja.
Kann nicht verzeihn dein rachbegierig Herz,
So biet ich, sieh, dies scharf gespitzte Schwert;
Birgs, wenn du willst, in dieser treuen Brust
Und laß die Seel’ heraus, die dich vergöttert;
Ich lege sie den Todesstreiche bloß
Und bitt’ in Demut kniend, um den Tod.
Nein, zögre nicht! Ich schlug ja König Heinrich:
Doch deine Schönheit reizte mich dazu.
Nur zu! Denn ich erstach den jungen Edward:
Jedoch dein himmlisch Antlitz trieb mich an!«
    Natürlich sticht ein heiliger Engel nicht zu. Doch im weiteren Wechselgespräch mit Richard Gloucester schwingt plötzlich ein Ton mit, der mich aufhorchen läßt.
    Gloucester: »So heiß mich selbst mich töten, und ich will’s.«
    Anne: »Ich tat es schon.«
    Gloucester: »Das war in deiner Wut.
    Sag’s noch einmal, und gleich soll diese Hand,
    Die deine Lieb’ aus Lieb’ erschlug zu dir,
    Weit treure Liebe dir zulieb ’ erschlagen.«
    Anne: »Kennt’ ich doch nur dein Herz!
    Nun wohl, steck ein das Schwert.«
    Gloucester: »Gewährst du Frieden mir?«
    Anne: »Das sollst du künftig sehn.«
    Gloucester: »Darf ich in Hoffnung leben?«
    Anne: »Ich hoffe, jeder tut’s.«
    Ich beuge mich vor. Was passiert denn da auf der Bühne?
    Gloucester: »Tragt diesen Ring von mir.«
    Anne: »Annehmen ist nicht geben.«
    Gloucester: »Sieh wie der Ring umfasset deinen Finger
    So schließt dein Busen ein mein armes Herz;
    Trag beide, denn sie sind ja beide dein.
    Und wenn dein treuster Diener eine Gunst
    Erbitten darf von deiner gnädigen Hand,
    So sicherst du sein Glück ihm zu für immer.«
    Anne: »Was ist es?«
    Gloucester: »Mit aller schuldigen Ehr’ dich will besuchen.
    Gewährt mir dies.«
    Anne: »Von ganzem Herzen, und es freut mich sehr
    Zu seh’n daß Ihr so reuig worden seid.«
    Ist das etwa schon die Bekehrung des Sünders? Aber so schnell? So früh im Stück?
    Nein. Gottlob: nein! Kaum allein auf der Bühne, bricht es aus Richard Gloucester heraus:
    »Ward je in dieser Laun ’ ein Weib gefreit?
Ward je in dieser Laun’ ein Weib gewonnen?
Ich will sie haben, doch nicht lang behalten.
Wie? Ich der Mörder ihres Manns und Vaters,
In ihres Herzens Abscheu sie zu fangen,
Im Munde Flüche, Tränen in den Augen,
Der Zeuge ihres Hasses blutend da;
Gott, ihr Gewissen, all dies wider mich,
kein Freund, um mein Gesuch zu unterstützen,
Als Heuchlerblicke und der bare Teufel.
Und doch sie zu gewinnen! Alles gegen nichts!«
    Die Groundlings johlen vor Vergnügen. Und Richard Gloucester setzt noch einen drauf:
    »Mein Herzogtum für einen Bettelpfennig,
Ich irrte mich die ganze Zeit:
Sie find’ ich sei ein wunderhübscher Mann.
Ich will auf einen Spiegel was verwenden
Und ein paar Dutzend Schneider unterhalten,
Um Trachten auszusinnen, die mir stehn.
Komm holde Sonn’ als Spiegel mir zustatten
Und zeige, wenn ich geh’ mir meinen Schatten.«
    Das Publikum applaudiert begeistert und verstummt jäh, als die nächste Szene beginnt. Selbst die fliegenden Händler in der Menge vergessen ihre Geschäfte, starren gebannt auf die Bühne.
    Ich beuge mich weit über die Brüstung, um ja keinen Satz, keine Geste zu versäumen. Dieser Richard Gloucester wird von Szene zu Szene, von Satz zu Satz interessanter. Er intrigiert, lügt, heuchelt, mordet. Er ist ein Scheusal – und wird einem mit seiner überlegenen Klugheit gleichzeitig immer sympathischer.
    »Ich tu’ das Bös’ und schreie selbst zuerst.
Das Unheil, das ich heimlich angestiftet,
Leg’ ich den anderen dann schwer zur Last.
Dann seufz ’ ich, und nach einem Spruch der Bibel
Sag’ ich, Gott heiße Gutes tun für Böses,
Mit alten Fetzen, aus der Schrift gestohlen,
Und schein ein Heil’ger, wo ich Teufel bin.«
    Und den Groundlings geht es offensichtlich nicht anders. Vehement feuern sie die beiden zögerlichen, von Gewissensbissen geplagten Mörder an, die sich

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