Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition)
Pulverdampf mit dem Wind auf den spanischen Halbmond zu. Lägen wir in der Leeposition, würde uns der Qualm die Tränen aus den Augen beizen.
»Die Spanier reffen die Segel, gehen auf Kurs Nordnordost!« kommt die Meldung aus den Marsen herunter.
Als der Wind die Rauchwolken verbläst, sehen wir das äußerste Flügelschiff der Spanier, eine schwere Karacke, die Position wechseln, um das Gefecht aufzunehmen.
»Es ist die L A R ATA S ANTA M ARIA E NCORONADA , das Schiff Don Alonso de Leivas, 820 Tonnen, 35 Geschütze, 80 Seeleute und um die 350 Soldaten«, informiert uns Thomas Vavasour. Hinter der L A R ATA löst sich das ganze Levante-Geschwader aus seiner Position am rechten Flügel und geht hinter dem Halbmond parallel zu uns auf Nordkurs.
»Gütiger Gott, ist das ein Brocken!« staunt Lieutenant Preston, als uns das Flaggschiff der Levantiner seine Breitseite zeigt.
»R EGAZONA , 1250 Tonnen, 30 Kanonen, 80 Seeleute, 350 Soldaten, Kommandant Vizeadmiral Don Martín de Bertendóna«, rasselt Vavasour herunter.
Eine knappe halbe Stunde später hat sich die Gefechtsformation voll entwickelt. Zehn Schiffe stehen uns gegenüber mit einer Gesamttonnage von fast 9000 Tonnen, 280 Geschützen und rund 2900 Soldaten – Pikenieren, Arkebusieren und Rontardschieren. Das Schlachtgebrüll der Männer übertönt zeitweise sogar das Donnern der Kanonen.
Von Minute zu Minute aber wird deutlicher, daß dieses Gefecht eine höchst einseitige Angelegenheit ist. Bei halbem Wind segeln wir auf Parallelkurs nordwärts. Doch während die Spanier jeden Fetzen Leinwand gesetzt haben, müssen wir unsere Bram- und teilweise sogar Marssegel streichen, um ihnen nicht einfach davonzulaufen. Zwar haben unsere sieben Schiffe nur eine Gesamttonnage von 3200 Tonnen aufzuweisen, doch die Geschützzahl ist gleich, und im Gegensatz zu den Spaniern ist unsere Schußfolge rund dreimal so hoch. Was die Dons freilich am meisten verbittern muß, ist, daß ihre Geschosse in gutem Abstand unserer Bordwände Wasserfontänen in die Luft spritzen. Unsere Kugeln hingegen schlagen mit tödlicher Präzision auf ihren Schiffen ein, durchstanzen die Bordwände, durchlöchern die Segel, zerzausen die Takelagen, reißen blutige Gassen in die Scharen der Soldaten. Ja, wenn sie die Massen ihrer Entertruppen ins Spiel bringen könnten, doch Howard hält mühelos den 400 Yard breiten Wasserkorridor. Höher an den Wind gehen können nur die kleinsten spanischen Einheiten, und die S ANTA M ARIA DE V ISION und die L A A NUNCIADA , mit ihren 18 und 25 Geschützen, sind wahrhaftig keine Gegner!
Ich hätte jetzt gern William Winter neben mir, der damals beim Probeschießen der S AMPSON meinte, die spanischen Schiffe seien keine wehrlosen Hulks, die würden nämlich zurückschießen? Nun gut, sie schießen zurück. Aber in der Wirkung komme ich mir mehr und mehr nach Margate zurückversetzt vor. Auch anderen scheint es ähnlich zu ergehen. Die Stimmung auf unseren Schiffen bessert sich zusehends. Samuel Clerke, der Master Gunner, der schon vor einer Weile zu uns aufs Kampanjedeck gekommen ist, freut sich:
»Eigentlich ist das richtig unfair, was wir da treiben. Die armen Schweine da drüben haben doch nicht einmal den Hauch einer Chance …«
»Geschützfeuer im Norden voraus!«
Da die Segel unsere Sicht nach vorne behindern, hasten wir, wie ein Kometenschweif dem Lordadmiral folgend, die steile Treppe zum Großdeck hinunter, überqueren dieses im Eilschritt und steigen zum Backdeck hinauf. Wie abgesprochen, hatten Drakes Geschwader den äußersten linken Flügel des spanischen Halbmonds angegriffen, doch das Geschehen voraus läßt Howard heftig die Stirne runzeln. Von den Spaniern hatte nur ein Schiff den Kampf aufgenommen und liegt nun wild um sich schießend etwas hinter der Flotte.
»Es ist die S AN J UAN DE P ORTUGAL , das Flaggschff des Biscaya-Geschwaders unter Don Juan Martínez de Recalde, 1000 Tonnen, 50 Kanonen und 350 Soldaten, eines der besten Schiffe der Dons mit einem ihrer besten Kommandanten«, meldet Vavasour. Angegriffen wird sie von der mächtigen T RIUMPH unter Martin Frobisher, der V ICTORY unter John Hawkins und der R EVENGE unter Sir Francis Drake.
»Das gefällt mir nicht. Das gefällt mir überhaupt nicht!« wettert der Lordadmiral, während er mit harten Faustschlägen die Reling bearbeitet.
»Unsere Herren Vize- und Konteradmirale scheinen weniger daran interessiert, endlich Ordnung in den Sauhaufen ihrer Geschwader zu bringen«,
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