Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition)
diese Kampfgeschwader abgeschirmt, segeln vor ihnen die Versorgungsschiffe, 23 große Urcas unter dem Befehl von Don Juan Gómez de Medina und die 22 kleineren Pataches und Zabras unter Don Antonio Hurtado de Mendoza.«
Einen Mann scheint dies alles nicht zu berühren. Lord Charles Howard of Effingham steht allein an der Steuerbordreling, die Augen fest auf den furchterregenden Halbmond spanischer Schiffe vor uns gerichtet. Ein Befehl an Thomas Gray, den Segelmeister der A RK R OYAL . Ein Signal hinüber zu der kleinen Pinasse D ISDAIN unter Kapitän Jonas Bradbury, die uns die Nacht hindurch wie ein Hündchen seinem Herrn gefolgt war.
»Ruder hart steuerbord! Kurs 90 Grad Ost! Setzt Mars- und Bramsegel!«
Der Bug der A RK schwingt herum. Über uns entfalten sich rauschend wieder die Mars- und Bramsegel, die aufgegeit worden waren, um den Winddruck wegzunehmen und den Schiffen des Nordgeschwaders Zeit zu geben heranzukommen.
Die beiden Schiffe nehmen Fahrt auf. Voran die schnelle D ISDAIN , etwas langsamer gefolgt von der A RK R OYAL , segeln wir genau auf die Mitte des Halbmonds zu, wo die S AN M ARTÍN , das Flaggschiff des Herzogs von Medina Sidonia, sich erhebt, an Größe der A RK um gut 200 Tonnen überlegen, doch um sieben Geschütze schwächer.
Jetzt entfaltet sich an ihrem Großtopp die spanische Königsflagge. Neben den Türmen und Löwen von Kastilien-León, den Streifen und Adlern von Aragón-Sizilien sehen wir deutlich wie unsere Löwen und Lilien unmißverständlich den Anspruch Philipps auf Englands Thron und Krone der Welt verkünden.
»Schieß sie runter!« schreit Lord Howard der D ISDAIN nach, die sich nun rasch der Armada nähert.
Kurz darauf der scharfe Knall eines leichten Sakers.
Die spanische Königsflagge geht zwar nicht über Bord, doch der Fehdehandschuh ist geworfen.
»Genug der ritterlichen Gesten«, stellt Howard trocken fest.
»Der ritterlichen und der hochmütigen«, fügt Thomas Gerard hinzu. Recht hat er! Bei Lord Howards ausgeprägtem Sinn für Symbolik war es ganz gewiß alles, nur kein Zufall, daß ein Schiff mit dem Namen ›Verachtung‹ den ersten Schuß abfeuerte.
Während sich die kleine D ISDAIN eilig zurückzieht, beobachtet der Lordadmiral das mühsame Ordnen unserer Geschwader:
»Wir sollten unseren Geschwadern noch etwas Zeit verschaffen, sich zu gliedern.«
»Ja«, meldet sich Hoby zu Wort, »wir sollten uns unbedingt nach Plymouth zurückziehen und …«
»Sir Edward«, schneidet ihm der Lordadmiral das Wort ab, »wenn ich Eure taktischen und strategischen Ratschläge wünsche, werde ich Euch dies zur Kenntnis bringen lassen. – Wir greifen den äußersten rechten Flügel der Spanier an.«
Im nächsten Augenblick schallt die Stimme Grays erneut über das Deck. Die Rahen und Segel werden erneut verholt, wir drehen zurück nach Süden und aus dem Batteriedeck schallen die Rufe des Master Gunners Samuel Clerke:
»Geschütze laden und ausrennen! Acht Grad Elevation! Bewegt Euch, Ihr faulen Säcke!«
Die A RK R OYAL steuert nun Südwest, in Kiellinie gefolgt von der E LIZABETH B ONAVENTURE meines Freundes Cumberland, der G OLDEN L ION unter dem Befehl Thomas Howards, dem Bruder des Lordadmirals, der D READNOUGHT unter Sir George Beeston, der N ONPAREIL unter Thomas Fenner und den beiden Glattdeckgaleonen B ULL und T IGER unter Jeremy Turner und John Bostocke.
Lord Charles Howard bemerkt mit strenger Miene:
»Jetzt wird sich herausstellen, was Baker-Galeonen und Dreyling-Geschütze tatsächlich wert sind.«
Ich zweifle keinen Augenblick an meinen Schlangen, keinen Augenblick an Matthews Galeonen. Und trotzdem habe ich schweißnasse Hände.
Knapp 400 Yards südöstlich des rechten Flügelschiffes der spanischen Armada wendet unser kleines Geschwader, geht, sauber wie auf eine Perlenschnur gezogen, Schiff hinter Schiff, wieder auf Nordkurs.
»Feuer frei!«
Eine erste Salve aus allen Rohren läßt die A RK R OYAL vom Kiel bis zum Großtopp erbeben, sie nach Feuerlee überrollen, nimmt uns mit ihrem Pulverdampf jede Sicht. Ohne die Baumwollpfropfen, die wir uns unmittelbar vor dem Kommando in die Ohren gestopft hatten, wären wir jetzt wohl taub.
»Geschütze sichern! – Wischer! – Kartusche! – Kugel! – Pfropfen! – Ansetzer! – Ausrennen!« bellen die Kommandos der Geschützführer.
»Feuer!«
Wieder stößt das Deck unter unseren Füßen wie ein wildgewordener Geißbock, dröhnen die Schüsse in unseren Ohren, wirbeln turmhohe Wolken von
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