Der Meister des Siebten Siegels: Roman (German Edition)
Seite könnten der Haß auf die Spanier und die Liebe zum Königreich Berge versetzen«, gebe ich zu bedenken.
»Das wäre die einzige Chance für uns. Doch das Verhältnis der zu erwartenden Toten wäre mit zehn zu eins schrecklich für uns. Die Unschuldigen nicht eingerechnet.«
»Im übrigen«, unterbreche ich seine Berechnungen, »wenn Walter Covert jetzt aufkreuzt, werde ich ihn nach Lewes schicken, mit dem Befehl, daß Buckhurst sich noch heute abend mit mir im Seaford Castle treffen soll. Damit ist Covert erst einmal beschäftigt und kann nicht quertreiben.«
Kaum daß ich meine Ausführungen beendet habe, kreuzt Thomas Palmer mit Walter Covert auf. Dem ersten Eindruck nach zu urteilen, ist dieser im Gegensatz zu Palmer offensichtlich ein recht tatkräftiger Milizführer. Nach kurzer Vorstellung beginnt er sofort, seine Einstellung zu äußern:
»Dies hier ist nicht Eure Grafschaft, Sir! Keine einzige Batterie, kein einziges Fort wird von Pulver und Kugeln entblößt, bevor nicht klar entschieden ist, wer hier die Anweisungen dafür geben kann. Lord Buckhurst muß erst davon Kenntnis haben, und nur ihm allein bin ich verpflichtet.«
Bestürzend ist für mich die Tatsache, daß auch er bis zum jetzigen Zeitpunkt kein Interesse daran zeigt, wie hartnäckig die königliche Flotte im Kanal gegen die Spanier kämpft und wo ihre größten Probleme liegen. Ich spüre, wie der Zorn in mir wächst:
»Wem seid Ihr noch verpflichtet?« frage ich ihn streng.
»Nur noch der Königin!«
Seine Antwort gibt mir die Gelegenheit, mich abzureagieren, indem ich seine Ignoranz, für jeden auf dem Platz hörbar, anprangere:
»Unsere Königin läßt Euch mitteilen, daß Ihr sofort am nächsten Baum aufgeknüpft werdet, wenn Eurer Beitrag dazu dient, die königlichen Schiffe tatkräftig von ihrem schweren Auftrag abzuhalten, die Armada zu vernichten – und zwar bevor die spanischen Soldaten in die Lage versetzt werden, die Küsten von Sussex zu betreten, um den Marsch nach London anzutreten. Solltet Ihr unsere Befehle nicht beachten, werde ich noch in dieser Sekunde handeln!«
Die Absicht greift. Covert schrumpft zur Ameise:
»Keinesfalls will ich verhindern …«
Ohne ein weiteres Wort darüber zu verlieren, gebe ich ihm den Befehl, nach Lewes zu reiten, um Lord Buckhurst den Befehl zu übermitteln, sich heute abend noch im Seaford Castle einzufinden.
Bis jetzt war ich zufrieden, da an diesem Tage alles gelang, was nur gelingen konnte. Das Fort von Brighton mit seinem benachbarten Castle waren für den Lordadmiral erfolgreich geplündert. Der Anfang war geschafft. Was mich aber auf dem Weg nach Seaford beschäftigte, war die Frage, an welchem Punkt sich unsere Flotte am Abend befinden wird. Nach meinen Berechnungen müßte sie sich in diesen Stunden dem Selsey Bill nähern. Wenn gleichzeitig in dieser Stunde die ersten Transporte Brighton verlassen, dann wären die kühnsten Erwartungen übertroffen.
Neben der Ungewißheit, die mich den Tag über begleitete, was und welche Mengen inzwischen requiriert wurden, gilt jetzt meine größte Sorge dem Wind. Je schwächer er weht, desto günstiger für die Transporte, geht es mir ständig durch den Kopf. Wenn auch die D ISDAIN , B ULL , A ID und jedes kleinere Hilfsschiff wesentlich schneller segelten als die schweren Kriegsgaleonen, einem starken Wind könnten wir nie die Stirn bieten. Die beiden Flotten würden in kürzester Zeit an Sussex’ Küsten vorbeigetrieben. Wir kämen zu spät. Wenn er aber in den nächsten Tagen nicht wesentlich auffrischte, können die Hilfsschiffe mit ihren Ladungen rechtzeitig die königlichen Galeonen erreichen. So sollte es also bleiben.
Im Gegensatz zum Ernst der Lage, die uns zu dieser Aktion veranlaßt hat, nehmen die Menschen an den Küsten die Wirklichkeit eher durch einen Nebel von Vermutungen, falschen Berichten, apokalyptischen Meldungen über Verluste oder Siege und oft auch nur durch einen Alkoholnebel wahr. Lediglich die Signalfeuer, an denen wir vorüber kamen, sind ohne Ausnahme immer von je zwei Mann Tag und Nacht bewacht. Mochte es in Tilbury unter Leicester anders sein, hier jedoch fehlt jeder Sinn für das, was wirklich notwendig wäre.
Seaford Castle gleicht in gespenstischer Weise den hilflos wirkenden Milizen. Die Anlage ist unvorbereitet, kaum nennenswert armiert und schwach besetzt. Würden die Dons sich entschließen, hier an Land zu gehen, es wäre für sie ein Spaziergang. Eine fatale Situation, denn bis
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