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Der Meister und Margarita

Titel: Der Meister und Margarita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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Bitterkraut standen. Leise ein Liedchen pfeifend, ritt der Mann in gemächlichem Trab durch die leeren Straßen der Unterstadt zur Burg Antonia und blickte ab und zu auf die beiden in der Welt einmaligen Fünflichter, die überm Tempel loderten, oder auf den Mond, der noch höher hing.
    Der Palast Herodes' des Großen hatte keinen Anteil an der festliehen Pessaehnacht. In den hinteren Räumen, die nach Süden gingen und die Offiziere der römischen Kohorte sowie den Legaten der Legion beherbergten, brannten Lichter, dort war Leben und Trubel. Der vordere Teil des Palastes, der nur einen einzigen und überdies unfreiwilligen Bewohner hatte, den Prokurator, sah mit all seinen Säulen und Goldstatuen aus, als wäre er vom grellen Mondlicht erblindet. In diesem Teil herrschten Stille und Finsternis. Der Prokurator, wie er zu Afranius gesagt, mochte nicht hineingehen. Er befahl, ihm das Bett auf dem Balkon zu richten, da, wo er gespeist und am Morgen Jeschua verhört hatte. Er legte sich auf das zurechtgemachte Ruhebett, aber der Schlaf mied ihn. Der nackte Mond hing hoch am klaren Himmel, und der Prokurator ließ mehrere Stunden kein Auge von ihm.
    Gegen Mitternacht erbarmte sich der Schlaf des Hegemons. Er gähnte kramphaft, hakte den Umhang auf und warf ihn ab, dann löste er den Gürtel mit dem breiten Stahlmesser in der Scheide vom Hemd, legte ihn in den Sessel neben dem Ruhebett, entledigte sich der Sandalen und streckte sich aus. Banga sprang sogleich zu ihm aufs Bett und legte sich neben ihn, Kopf an Kopf, der Prokurator streichelte ihm den Hals und schloß endlich die Augen. Erst dann schlief auch der Hund ein. Das Ruhebett stand im Halbdunkel, eine Säule verdeckte den Mond, doch von den Stufen zog sich ein Mondlichtband bis zum Bett. Kaum hatte der Prokurator die Verbindung zu seiner wirklichen Umgebung verloren, bewegte er sich die leuchtende Bahn entlang und ging aufwärts, geradewegs zum Mond. Im Schlaf lachte er vor Glück, so herrlich war es auf dieser durchsichtigen blauen Straße, denn Banga begleitete ihn, und neben ihm ging der Wanderphilosoph. Sie disputierten über etwas sehr Kompliziertes und Wichtiges, und keiner vermochte den andern zu überzeugen. Ihre Ansichten deckten sich nirgends, und daher war ihr Disput besonders interessant und fand kein Ende. Die heutige Hinrichtung war doch nur ein reines Mißverständnis, denn der Philosoph, der auf die unwahrscheinlich absurde Idee gekommen war, daß alle Menschen gut wären, ging ja hier neben ihm, folglich lebte er. Und es war natürlich entsetzlich, zu denken, ein solcher Mensch könnte hingerichtet werden. Die Hinrichtung hat nicht stattgefunden! Gewiß nicht! Darin bestand der Reiz dieses Schreitens auf der Mondtreppe. Freie Zeit hatten sie, soviel sie wollten, und ein Gewitter stand erst gegen Abend zu erwarten, und die Feigheit war ohne Zweifel eine der schrecklichsten Sünden. So sagte Jeschua Ha-Nozri. Nein, Philosoph, ich widerspreche dir: es ist die schrecklichste Sünde!
    Einmal war er nicht feige gewesen, der jetzige Prokurator von Judäa und ehemalige Tribun einer Legion, damals im Tal der Jungfrauen, als die grimmen Germanen den Riesen Rattenschlächter fast zerfleischt hätten. Aber ich bitte Sie, Philosoph! Sie können doch bei Ihrem Verstand nicht annehmen, der Prokurator von Judäa werde wegen eines Menschen, der ein Verbrechen wider den Kaiser begangen hat, seine Karriere gefährden?
    "Doch, doch ...", stöhnte und schluchzte Pilatus im Schlaf. Selbstverständlich würde er sie gefährden. Am Morgen hätte er es noch nicht getan, aber jetzt, in der Nacht, nachdem er alles erwogen hatte, war er bereit, sie zu gefährden. Alles würde er in Kauf nehmen, um den völlig unschuldigen wahnsinnigen Träumer und Arzt vor der Hinrichtung zu bewahren! "Wir werden jetzt immer beisammen sein", sagte ihm im Traum der zerlumpte Wanderphilosoph, der auf geheimnisvolle Weise den Weg des Ritters der Goldenen Lanze gekreuzt hatte, "wo der eine ist, sei auch der andere! Gedenkt man meiner, so wird man auch deiner gedenken! Meiner, des Aussetzlings, Sohnes unbekannter Eltern, und deiner, Sohnes eines Königs und Sterndeuters und der schönen Müllerstochter Pila." ,Ja, vergiß es nicht, gedenke meiner, des Sterndeutersohnes", bat Pilatus im Traum. Als er den neben ihm gehenden Bettler aus En-Sarid nicken sah, weinte und lachte der grausame Prokurator von Judäa vor Freude.
    Schön war das alles, doch um so schrecklicher war das Erwachen. Banga knurrte

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