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Der Meister und Margarita

Titel: Der Meister und Margarita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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— Korowjew verstärkte das Zittern seiner Stimme und zeigte auf Behemoth, der sogleich ein weinerliches Gesicht zog —, "dieser arme Mensch repariert schon den ganzen Tag Primuskocher. Er hat Hunger bekommen, aber wo soll er Devisen hernehmen?"
    Pawel Ossipowitsch, sonst ruhig und beherrscht, schrie ihn böse an: "Laß das!" und winkte ungeduldig nach der Tür hin. Das Trillern an der Tür schrillte noch munterer. Aber Korowjew, den Pawel Ossipowitschs Rede nicht weiter beeindruckte, fuhr fort:
    "Wo soll er sie hernehmen? Das frage ich jeden hier! Er ist erschöpft vor Hunger und Durst, und ihm ist heiß! Nun, und da hat er sich eine armselige Mandarine genommen. Die kostet höchstens drei Kopeken. Und schon pfeifen sie wie die Nachtigallen im Frühlingswald, behelligen die Miliz, halten sie von ihren Pflichten ab. Aber er darf, der da!" Korowjew wies auf den fliederblauen Ausländer, dessen Gesicht sogleich größte Unruhe spiegelte. "Wer ist das überhaupt? Na? Wo kommt er her? Wozu? Haben wir etwa Sehnsucht nach ihm gehabt? Haben wir ihn etwa eingeladen? Natürlich", brüllte der ehemalige Kantor aus vollem Halse und verzog sarkastisch den Mund, "seht nur, er trägt einen fliederblauen Parademantel, und vom Lachs ist er schon ganz fett geworden, und mit Devisen ist er vollgestopft, aber unsereiner, aber unsereiner? Bitter ist das! Bitter, bitter!" heulte Korowjew wie ein Brautführer auf einer altertümlichen Hochzeit.
    Diese dumme, taktlose und wohl auch politisch schädliche Rede ließ Pawel Ossipowitsch wütend zucken, aber bei dem dicht gedrängten Publikum schien sie seltsamerweise Widerhall zu finden. Und als Behemoth den schmutzigen zerrissenen Ärmel vor die Augen legte und tragisch ausrief: "Ich danke dir, mein * treuer Freund, du hast dich für einen Gedemütigten eingesetzt!", da geschah ein Wunder. Ein kleiner alter Mann, sehr ruhig und anständig, arm, aber saÜber gekleidet, ein alter Mann, der in der Konditoreiabteilung drei Mandelkuchen gekauft hatte, wurde plötzlich ein anderer Mensch. Seine Augen funkelten kämpferisch, er lief puterrot an, schleuderte die Kuchentüte zu Boden und schrie mit dünner Kinderstimme: "Recht hat er!" Dann ergriff er ein Tablett, warf die Reste des von Behemoth verdorbenen Eiffelturms aus Schokolade herunter, holte aus, riß mit der linken Hand dem Ausländer den Hut ab und hieb ihm mit der rechten schwungvoll das Tablett über die Glatze. Es entstand ein Geräusch ähnlich dem, das man hört, wenn von einem Lastwagen Stahlbleche zu Boden geworfen werden. Der Ausländer erbleichte, stolperte rückwärts und setzte sich in den Bottich mit dem Kertsch-Hering, so daß eine Fontäne von Pökellake hochschoß. Und nun geschah das zweite Wunder. Der Fliederblaue kreischte in reinstem Russisch ohne jeglichen Akzent: "Mörder! Miliz! Banditen wollen mich umbringen!" Diese Fähigkeit, plötzlich in einer fremden Zunge zu reden, mochte ihm durch die Erschütterung zugewachsen sein. Das Pfeifen des Portiers hörte auf, und in der errregten Käufermenge kamen zwei Milizhelme näher. Aber der tückische Behemoth, so wie man im Dampfbad aus einer Kelle die Bank begießt, schwappte aus dem Primuskocher Benzin auf den Ladentisch, der ganz von selbst aufflammte. Die Flamme schlug hoch und lief den Ladentisch entlang, wobei sie die roten Papierschleifen der Obstkörbe verzehrte. Kreischend flüchteten die Verkäuferinnen hinterm Ladentisch hervor, und kaum hatten sie sich in Sicherheit gebracht, da loderten die leinenen Vorhänge an den Fenstern auf, und auch am Fußboden entzündete sich das Benzin. Das Publikum erhob ein verzweifeltes Geschrei, stürzte aus der Konditoreiabteilung hinaus und trampelte den überflüssig gewordenen Pawel Ossipowitsch nieder. Die Verkäufer des Fischstandes flüchteten mit ihren scharfen Messern im Gänsemarsch zur Hintertür. Der Fliederblaue befreite sich, ganz mit Heringslake bekleckert, aus der Tonne, wälzte sich über den Lachs auf dem Ladentisch hinweg und folgte ihnen.. Die Spiegelscheiben der Eingangstür zerklirrten, eingedrückt, von den flüchtenden Menschen, und wohin die beiden Übeltäter Korowjew und der gefräßige Behemoth verschwunden waren, blieb unbegreiflich. Später erzählten Augenzeugen, die den beginnenden Brand im Devisenladen am Smolensker Markt miterlebt hatten, die beiden Rowdys seien zur Decke emporgeflogen und dort geplatzt wie Kinderluftballons. Es ist natürlich zweifelhaft, ob es wirklich so war, aber was wir nicht

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