Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Meister und Margarita

Titel: Der Meister und Margarita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
Vom Netzwerk:
sich nicht über die Ladentische wie in der Stoffabteilung.
    Ein vierschrötiger, quadratisch gewachsener Mann, blaurasiert, mit Hornbrille, einem nagelneuen, noch nicht zerdrückten Hut ohne Schweißflecke auf dem Band, mit einem fliederblauen Mantel und rötlichen Glacehandschuhen, stand vor dem Ladentisch und stieß befehlend unartikulierte Laute aus. Ein Verkäufer in saÜberem weißem Kittel und mit blauem Mützchen bediente den fliederblauen Kunden. Mit einem scharfen Messer, sehr ähnlich dem, das Levi Matthäus stahl, schob er die silbrig schimmernde, schlangenartige Haut von einem fetttriefenden rosa Lachs.
    "Auch diese Abteilung ist großartig", lobte Korowjew feierlich, "und der Ausländer da ist mir sympathisch." Wohlwollend zeigte er mit dem Finger auf den fliederblauen Rücken. "Nein, Fagott, nein", antwortete Behemoth nachdenklich, "du irrst dich, mein Freund: Ich finde, in dem Gesicht des fliederblauen Gentlemans fehlt etwas."
    Der fliederblaue Mann zuckte mit dem Rücken, aber wohl aus Zufall, denn als Ausländer konnte er ja die russischen Worte von Korowjew und seinem Begleiter nicht verstanden haben. "Ist das gutt?" fragte er streng.
    "Spitzenklasse!" antwortete der Verkäufer und schabte kokett mit dem Messer an dpr Lachshaut.
    "Gutt ich lieben, schlecht nein", sagte der Ausländer rauh. "Selbstverständlich!" antwortete der Verkäufer begeistert. Nun verließen unsere Bekannten den Ausländer und seinen Lachs und traten zum Tisch der Konditoreiabteilung. -"Heiß heute", sprach Korowjew die blutjunge rotwangige Verkäuferin an, erhielt jedoch keine Antwort; da erkundigte er sich: "Was kosten die Mandarinen?"
    "Dreißig Kopeken das Kilo", antwortete die Verkäuferin. "Bißchen happig", sagte Korowjew seufzend, "ach . . . ach ..." Er überlegte und lud dann seinen Begleiter ein: "Iß, Behemoth." Der Dickwanst nahm den Primuskocher unter den Arm, eignete sich die oberste Mandarine der Pyramide an, fraß sie mitsamt der Schale und griff nach der zweiten. Tödliches Entsetzen packte die Verkäuferin. "Sind Sie verrückt geworden!" schrie sie, und ihre roten Wangen wurden blaß. "Geben Sie mir den Bon! Den Bon!" Und sie ließ die Konfektzange fallen.
    "Mein Herzchen, mein Liebchen, mein Schönchen", säuselte Korowjew, beugte sich weit über den Ladentisch und zwinkerte der Verkäuferin zu, "wir sind heute nicht bei Devisen, aber was soll man da machen? Ich schwöre Ihnen, beim nächsten Mal, spätestens Montag, zahlen wir alles in bar! Wir wohnen hier in der Nähe, auf der Sadowaja, wo der Brand war ..."
    Behemoth hatte die dritte Mandarine verschlungen, jetzt griff er mit der Pfote nach einem sinnreichen Bauwerk aus Schokoladentafeln, zog eine von unten heraus, wovon natürlich alles zusammenstürzte, und verschlang sie mitsamt dem Goldpapier. Die Verkäufer am Fischstand erstarrten mit ihren Messern in der Hand, der fliederblaue Ausländer drehte sich zu den RäÜbern um, und nun wurde ersichtlich, daß Behemoth sich geirrt hatte: Es stimmte nicht, daß jenem etwas im Gesicht fehlte, im Gegenteil, er hatte eher zuviel, nämlich Hängebacken und huschende Augen.
    Die Verkäuferin, gelb im Gesicht, schrie kläglich durch den ganzen Laden:
    "Pawel Ossipowitsch! Pawel Ossipowitsch!" Das Publikum aus der Stoffabteilung strömte auf diesen Schrei hin herzu. Behemoth verließ die Lockungen der Konditorei, senkte die Pfote in ein Faß mit der Aufschrift: Erlesener Kertsch-Hering, zog zwei Heringe heraus, verschlang sie und spuckte die Schwänze aus.
    "Pawel Ossipowitsch!" gellte wieder der verzweifelte Schrei hinterm Ladentisch der Konditoreiabteilung, und am Fischstand bellte ein Verkäufer mit Spitzbart: "Was machst du da, du Dreckskerl?"
    Pawel Ossipowitsch kam bereits zum Tatort geeilt. Er war ein repräsentabler Mann in einem weißen Chirurgenkittel, aus dessen Brusttasche ein Bleistift, ragte. Er hatte offensichtlich seine Erfahrungen. Als er in Behemoths Mund den Schwanz des dritten Herings sah, schätzte er augenblicks die Lage ab, begriff alles, ließ sich auf keinerlei Wortwechsel mit den Frechlingen ein, sondern winkte zum Eingang und kommandierte: "Pfeif!" Der Portier sauste aus der Spiegelglastür an der Ecke des Srao-lensker Marktes und verströmte sich in einem bösartigen Pfeifen. Das Publikum umringte die Missetäter, und da schritt Korowjew zur Tat.
    "Mitbürger!" rief er mit dünner vibrierender Stimme. "Was geschieht denn hier? Gestatten Sie mir, Sie danach zu fragen! Dieser arme Mensch"

Weitere Kostenlose Bücher