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Der Meister und Margarita

Titel: Der Meister und Margarita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
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ihr, ich hätte Angst vor Dieben und so und bäte sie, das Geld bis zu meiner Abreise für mich aufzubewahren. Sie nahm es, steckte es in ihr Handtäschchen, küßte mich und sagte, sie würde lieber sterben als mich in solchem Zustand allein zu lassen, aber sie werde erwartet, müsse sich in die Notwendigkeit schicken und werde am nächsten Tag wiederkommen. Sie beschwor mich, keine Angst zu haben.
    Es war zur Dämmerstunde, Mitte Oktober. Sie ging. Ich legte mich aufs Sofa und schlief ein, ohne die Lampe angezündet zu haben. Ich erwachte von dem Gefühl, daß der Polyp da war. In der Dunkelheit umhertastend, gelang es mir mühsam, die Lampe anzuzünden. Meine Taschenuhr zeigte zwei Uhr morgens. Als ich mich hingelegt hatte, war die Krankheit im Anzug, und als ich erwachte, war sie da. Mich dünkte plötzlich, daß die herbstliche Finsternis die Scheiben eindrückte, ins Zimmer floß und ich in ihr erstickte wie in Tinte. Ich stand auf und hatte mich nicht mehr in der Gewalt. Ich schrie, und mir kam der Gedanke, zu irgendwem zu laufen, und sei es zu meinem Vermieter über mir. Ich kämpfte mit mir wie ein Wahnsinniger. Ich hatte noch die Kraft, den Ofen zu erreichen und darin Holz anzuzünden. Als die Flamme knisterte und das Türchen zu klirren begann, wurde mir ein bißchen leichter. Ich stürzte ins Vorzimmer, machte Licht, fand eine Flasche Weißwein, entkorkte sie und trank gleich aus der Flasche. Das betäubte meine Angst etwas, ich lief nicht zu meinem Vermieter, sondern kehrte zum Ofen zurück. Ich öffnete die Ofentür, die Hitze brannte mir auf Gesicht und Händen, und ich flüsterte: ,Fühle doch, daß mit mir etwas passiert ist.. . Komm, komm, komm!"
    Aber niemand kam. Im Ofen bullerte das Feuer, Regen peitschte gegen die Fenster. Da geschah das Letzte. Aus dem Tischkasten holte ich die schweren Romanmanuskripte und die Hefte mit der Rohfassung und begann, sie zu verbrennen. Das war sehr schwer, denn beschriebenes Papier brennt schlecht. Ich zerriß die Hefte und brach mir dabei die Nägel ab; vor dem Ofen stehend, schob ich sie zwischen die brennenden Scheite und riß sie mit dem Feuerhaken auseinander. Zeitweilig war die Asche stärker als ich und erstickte die Flamme, aber ich gab den Kampf nicht auf, und der Roman mußte trotz hartnäckigen Widerstands sterben. Die wohlbekannten Worte blinkten vor mir, unaufhaltsam leckte das Gelb von unten nach oben über die Seiten, aber die Worte traten noch immer hervor und zerfielen erst, als das Papier verkohlt war und ich es wütend mit dem Feuerhaken zerstieß.
    In diesem Moment kratzte es leise am Fenster. Mein Herz machte einen Sprung, ich schob das letzte Heft ins Feuer und stürzte zur Tür. Ziegelstufen führten vom Keller zur Hoftür. Ich stolperte hinauf und fragte leise: ,Wer ist da?' Eine Stimme, ihre Stimme, antwortete mir: ,Ich bin's ...' Ich weiß nicht mehr, wie ich mit dem Schlüssel und der Sicherheitskette zurechtkam. Kaum war sie eingetreten, da fiel sie mir um den Hals, völlig durchnäßt, mit feuchten Wangen und aufgelösten Haaren, am ganzen Leibe zitternd. Ich brachte nur ein Wort heraus: ,Du ... du?' Meine Stimme versagte, und wir eilten hinunter.
    Im Flur zog sie den Mantel aus, und wir traten rasch ins erste Zimmer. Ein leiser Aufschrei, dann griff sie mit bloßer Hand in den Ofen und warf das letzte Heft heraus auf den Fußboden. Es hatte schon am Rand Feuer gefangen. Sofort war das Zimmer voller Qualm. Ich trat das Feuer aus, sie fiel aufs Sofa, weinte krampfhaft und unaufhaltsam. Als sie verstummte, sagte ich:
    ,Ich hasse den Roman, und ich habe Angst. Ich bin krank, und ich fürchte mich.' Sie stand auf.
    ,0 Gott, wie krank du bist! Warum denn, warum? Aber ich werde dich retten, ich werde dich retten. Was ist das bloß?' Ich sah ihre von Rauch und Tränen verschwollenen Augen und fühlte ihre kalten Hände mir über die Stirn streichen. ,Ich mach dich gesund, ich mach dich gesund', murmelte sie und klammerte sich an meine Schultern. ,Du wirst ihn neu schreiben. Warum, warum bloß hab ich nicht ein Exemplar bei mir behalten?' Vor Grimm zeigte sie die Zähne und sagte noch etwas Unverständliches. Dann machte sie sich mit verkniffenen Lippen daran, die angekohlten Blätter einzusammeln und zu glätten. Es war ein Kapitel mitten aus dem Roman, ich weiß nicht mehr welches. Sorgsam legte sie die Blätter zusammen, rollte sie in Papier und verschnürte sie. Alles, was sie tat, zeigte, daß sie voller Entschlossenheit war und sich in

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