Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Meister und Margarita

Titel: Der Meister und Margarita Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Bulgakow
Vom Netzwerk:
und grunzte. Die Fragen, die er mir stellte, kamen mir irrsinnig vor. Kein Wort vom Wesen des Romans. Er fragte mich, wer ich sei, woher ich käme, ob ich schon lange schriebe und warum man früher nie etwas von mir gehört habe, und dann stellte er eine für meine Begriffe völlig idiotische Frage: wer mich darauf gebracht habe, einen Roman über ein so absonderliches Thema zu schreiben. Schließlich hatte ich genug von ihm und fragte ihn geradezu, ob er den Roman drucken würde oder nicht.
    Da wurde er nervös, nuschelte etwas und erklärte, er könne das nicht allein entscheiden, erst müßten die anderen Mitglieder des Redaktionskollegiums sich mit meinem Werk vertraut machen, nämlich die Kritiker Latunski und Ariman und der Literat Mstislaw Lawrowitsch. Er bat mich, in zwei Wochen wiederzukommen.
    Nach zwei Wochen ging ich wieder hin und wurde von einem Dämchen empfangen, das vom ständigen Lügen einwärts schielte."
    "Das ist die Lapschonnikowa, die Redaktionssekretärin", sagte Iwan schmunzelnd, denn er kannte sie ganz genau, diese Welt, die sein Gast so ingrimmig schilderte.
    "Mag sein", sagte dieser kurz, "also, sie gab mir mein Manuskript zurück, das schon ziemlich verschmutzt und zerlesen aussah. Bemüht, mich nicht anzusehen, teilte sie mir mit, daß die Redaktion für zwei Jahre im voraus mit Material versorgt sei und daß daher die Frage des Drucks meines Romans, wie sie sich ausdrückte,,entfalle'.
    Woran kann ich mich danach noch erinnern?" murmelte der Meister und rieb sich die Schläfe. ,Ja, an abgefallene rote Blütenblätter auf dem Titelblatt und an die Augen meiner Freundin. Ja, an diese Augen kann ich mich noch erinnern." Die Erzählung des Meisters wurde noch wirrer, blieb immer mehr in Andeutungen stecken. Er sagte etwas von schrägem Regen, von seiner Verzweiflung im Keller und daß er noch bei verschiedenen anderen Stellen vorgesprochen habe. Flüsternd schrie er, daß er ihr, die ihn in den Kampf gestoßen, keine Schuld gebe, o nein, keine Schuld!
    "Ich kann mich noch an dieses verfluchte Einlegeblatt in der Zeitung erinnern", murmelte der Gast und zeichnete mit zwei Fingern ein Zeitungsblatt in die Luft. Seinen weiteren wirren Sätzen konnte Iwan entnehmen, daß ein anderer Redakteur einen längeren Auszug aus dem Roman des Mannes, der sich Meister nannte, gedruckt hatte.
    Nach dessen Worten vergingen nur zwei Tage, da erschien in einer anderen Zeitung ein Artikel des Kritikers Ariman, der "Ein Feind unterm Deckmantel des Redakteurs" überschrieben • war und besagte, Iwans Gast habe die Sorglosigkeit und Unwissenheit des Redakteurs ausgenutzt zu einem Versuch, eine Apologiejesu Christi in die Presse zu zerren.
    "Ah, ich weiß, ich erinnere mich!" schrie Iwan. ,Aber ich habe Ihren Namen vergessen!"
    "Lassen wir meinen Namen aus dem Spiel, ich sag's noch mal, es gibt ihn nicht mehr", antwortete der Gast. "Es geht nicht um den Namen. Am nächsten Tag fand ich in der Zeitung einen von Mstislaw Lawrowitsch gezeichneten weiteren Artikel, der empfahl, einen heftigen Kampf zu führen gegen die Pilatusserei und den Gottesschmierer, der sie hatte in die Presse zerren wollen (wieder dieser verfluchte Ausdruck!).
    Völlig verstört von dem nie gehörten Wort,Pilatusserei', entfaltete ich die dritte Zeitung. Sie enthielt gleich zwei Artikel, der eine war von Latunski, der andere mit N. E. unterzeichnet. Ich versichere Ihnen, die Elaborate von Ariman und Lawrowitsch waren ein sanfter Scherz im Vergleich zu dem, was Latunski brachte. Es genügt, wenn ich Ihnen sage, daß sein Artikel ,Ein militanter Popenknecht' überschrieben war. Ich war so vertieft in die Lektüre dieses Artikels über mich, daß ich gar nicht bemerkte, daß sie (ich hatte vergessen, die Tür zu schließen) vor mir stand, mit nassem Schirm und ebenso nassen Zeitungen. Ihre Augen sprühten Feuer, ihre Hände zitterten und waren kalt. Als erstes fiel sie mir um den Hals und küßte mich, dann sagte sie heiser, wobei sie mit der Faust auf den Tisch schlug, sie werde Latunski vergiften." Iwan ächzte verlegen, doch er sagte nichts.
    "Es kamen die freudlosen Herbsttage. Der Roman war geschrieben, ich hatte nichts mehr zu tun, und so lebten wir nun, indem wir auf dem kleinen Teppich am Fußboden saßen und ins brennende Öfchen schauten. Übrigens trennten wir uns jetzt öfter als ehedem. Sie machte Spaziergänge, und mir geschah etwas Originelles wie schon manchmal in meinem Leben. Ich hatte plötzlich einen neuen Freund. Ja, ja,

Weitere Kostenlose Bücher