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Der Meister

Der Meister

Titel: Der Meister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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Kopf des Opfers nach hinten gezogen und dann einen sehr überlegten Schnitt geführt.«
    »Eine Hinrichtung«, sagte Korsak.
    Rizzoli erinnerte sich daran, wie das Crimescope die Haare an der blutverschmierten Wand zum Leuchten gebracht hatte. Es waren Dr. Yeagers Haare gewesen – von der Hand des Mörders ausgerissen, während die Klinge die Haut des Opfers aufgeschlitzt hatte.
    »Was für eine Art Klinge war es?«, fragte sie.
    Isles antwortete nicht gleich. Stattdessen wandte sie sich an Yoshima. »Tesafilm«, sagte sie.
    »Ich habe die Streifen schon bereitgelegt – hier.«
    »Ich drücke die Wundränder zusammen, Sie kleben den Tesafilm drauf.«
    Korsak lachte ungläubig auf, als ihm klar wurde, was die beiden vorhatten. »Sie kleben ihn wieder zusammen?«
    Isles warf ihm einen trocken-amüsierten Blick zu. »Würden Sie lieber Sekundenkleber nehmen?«
    »Soll das seinen Kopf auf den Schultern halten, oder was?«
    »Ich bitte Sie, Detective. Mit Tesafilm könnte man nicht einmal Ihren Kopf auf den Schultern halten.« Sie warf einen Blick durch das Vergrößerungsglas und nickte. »Sehr schön, Yoshima. Jetzt kann ich es sehen.«
    »Was denn?«, fragte Korsak.
    »Wozu so ein Streifen Tesafilm gut sein kann. Detective Rizzoli, Sie wollten doch wissen, was für eine Klinge er benutzt hat.«
    »Bitte erzählen Sie mir nicht, dass es ein Skalpell war.«
    »Nein, kein Skalpell. Sehen Sie selbst.«
    Rizzoli trat näher und sah sich die Wunde durch das Vergrößerungsglas an. Die Ränder wurden durch das transparente Klebeband zusammengehalten, so dass sie eine Vorstellung vom Querschnitt der verwendeten Waffe bekam. An einem der beiden Wundränder zog sich eine Reihe paralleler Streifen entlang.
    »Eine gezackte Klinge«, sagte sie.
    »So sieht es auf den ersten Blick aus.«
    Rizzoli blickte auf und sah in Dr. Isles’ Augen, die sie ruhig musterten – eine stumme Herausforderung. »Aber es ist nicht so, wie es scheint?«
    »Die Schneide selbst kann nicht gezackt sein, denn der andere Wundrand ist vollkommen glatt. Und haben Sie bemerkt, dass diese parallelen Kratzer sich nur über etwa ein Drittel der Länge des Schnitts ziehen? Sie sind entstanden, als die Klinge herausgezogen wurde. Der Mörder hat den Schnitt unter dem linken Unterkiefer angesetzt und nach vorne gezogen, bis kurz hinter den Trachealknorpel. Die Kratzer tauchen erst auf, als er gegen Ende der Schnittbewegung die Klinge herauszuziehen beginnt.«
    »Und was hat also diese Kratzer verursacht?«
    »Nicht die Schneide. Bei dieser Waffe ist nur die Rückseite der Klinge gezackt, und diese Zacken haben beim Herausziehen die Kratzer verursacht.« Isles sah Rizzoli in die Augen. »Das ist typisch für ein Rambo- oder Survival-Messer. Eine Waffe, wie sie ein Jäger benutzen könnte.«
    Ein Jäger. Rizzoli betrachtete Richard Yeagers muskulöse Schultern und dachte: Das war kein Mann, der sich demütig in die Opferrolle begeben hätte.
    »Okay, nur damit wir uns nicht missverstehen«, sagte Korsak. »Dieses Opfer, unser Gewichtheber-Doktor hier, sieht also zu, wie der Täter ein riesiges Rambomesser aus der Tasche zieht. Und er bleibt ruhig sitzen und lässt sich widerstandslos die Kehle durchschneiden?«
    »Er war schließlich an Händen und Füßen gefesselt«, sagte Isles.
    »Und wenn er verschnürt gewesen wäre wie Tutenchamun – jeder normale Mann hätte sich verzweifelt gewehrt.«
    Rizzoli sagte: »Er hat Recht. Auch wenn man an Händen und Füßen gefesselt ist, kann man immer noch treten oder mit dem Kopf stoßen. Aber er hat einfach dort an der Wand gesessen, ohne sich zu wehren.«
    Dr. Isles richtete sich auf. Eine Weile sagte sie gar nichts. Sie stand nur hoheitsvoll da, in ihren Chirurgenkittel gehüllt wie eine Priesterin in ihre Robe. Sie wandte sich an Yoshima. »Geben Sie mir ein feuchtes Handtuch. Und richten Sie die Lampe auf diese Stelle hier. Wir wollen ihn mal gründlich abwaschen und seine Haut ganz genau absuchen. Zentimeter für Zentimeter.«
    »Wonach suchen wir?«, fragte Korsak.
    »Das sage ich Ihnen, wenn ich es sehe.«
    Als Isles kurz darauf den rechten Arm der Leiche anhob, entdeckte sie die Male. Unter dem Vergrößerungsglas waren an der rechten Seite des Brustkorbs zwei leicht gerötete Schwellungen zu erkennen. Isles fuhr mit dem behandschuhten Finger über die Haut. »Quaddeln«, sagte sie. »Es handelt sich um eine Lewissche Dreifachreaktion.«
    »Lewis – was?«, fragte Rizzoli.
    »Lewissche Dreifachreaktion. Das ist

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