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Der Meister

Der Meister

Titel: Der Meister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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verletzlich.«
    »Ich kann Jammerlappen nicht ausstehen. Und ich weigere mich, selbst einer zu sein.«
    »Ich rede hier nicht von Jammern und Klagen. Sondern davon, dass Sie die Ehrlichkeit besitzen sollten, sich einzugestehen, dass Sie Probleme haben.«
    »Was für Probleme?«
    »Das müssen Sie mir schon selbst sagen, Detective.«
    »Nein, sagen Sie es mir. Sie sind schließlich derjenige, der denkt, ich sei total verkorkst.«
    »Das habe ich nicht gesagt.«
    »Aber Sie denken es.«
    »Sie selbst haben den Ausdruck verkorkst benutzt. Fühlen Sie sich so?«
    »Jetzt hören Sie mir mal zu: Der Grund meines Besuchs ist das hier. « Sie deutete auf die Tatortfotos des Yeager-Mordes. »Warum reden wir eigentlich die ganze Zeit über mich?«
    »Weil Sie, wenn Sie diese Fotos anschauen, immer nur Warren Hoyt sehen. Und ich frage mich einfach, warum das so ist.«
    »Der Fall ist abgeschlossen. Er beschäftigt mich nicht mehr.«
    »Ist das wirklich wahr?«
    Die Frage, mit so sanfter Stimme vorgebracht, ließ sie verstummen. Sie mochte es gar nicht, wie er ihr zu Leibe rückte. Und besonders ärgerte es sie, dass er eine Wahrheit erkannt hatte, die sie sich selbst nicht eingestehen wollte. Warren Hoyt hatte tatsächlich Narben hinterlassen. Sie musste nur ihre Hände anschauen, um daran erinnert zu werden, was er angerichtet hatte. Aber die schlimmsten Verletzungen waren nicht physischer Natur. Was sie letzten Sommer in jenem dunklen Keller verloren hatte, das war ihr Gefühl der Unbesiegbarkeit. Ihr unerschütterliches Selbstvertrauen. Warren Hoyt hatte sie gelehrt, wie verletzlich sie in Wirklichkeit war.
    »Ich bin nicht gekommen, um mich mit Ihnen über Warren Hoyt zu unterhalten«, sagte sie.
    »Und doch ist er der Grund, weshalb Sie hier sind.«
    »Nein. Ich bin hier, weil ich Parallelen zwischen diesen beiden Mördern sehe. Und ich bin nicht die Einzige. Detective Korsak hat sie auch erkannt. Also lassen Sie uns doch beim Thema bleiben, okay?«
    Er sah sie mit einem ausdruckslosen Lächeln an. »Okay.«
    »Also, was ist nun mit diesem unbekannten Täter?« Sie tippte mit dem Zeigefinger auf die Fotos. »Was können Sie mir über ihn sagen?«
    Zucker wandte sich erneut der Aufnahme von Dr. Yeager zu. »Ihr Unbekannter geht offensichtlich sehr planvoll vor. Aber das wissen Sie ja bereits. Er hat seinen Überfall sehr gründlich vorbereitet. Er hatte alles dabei – Glasschneider, Betäubungspistole, Klebeband. Wenn man bedenkt, wie schnell und mühelos er sein Opfer überwältigt hat, fragt man sich fast …« Er warf ihr einen Blick zu. »Ist es nicht möglich, dass es zwei Täter waren? Dass er einen Partner hatte?«
    »Wir haben nur Fußabdrücke von einer Person gefunden.«
    »Dann geht unser Bursche sehr geschickt vor. Und sehr sorgfältig.«
    »Aber dennoch hat er einen Spermafleck auf dem Teppich hinterlassen. Er hat uns den Schlüssel zu seiner Identität in die Hand gegeben. Das ist ein gewaltiger Fehler.«
    »Ja, da haben Sie Recht. Und das weiß er mit Sicherheit auch.«
    »Warum also hat er sie gleich dort vergewaltigt, in ihrem eigenen Haus? Warum hat er nicht gewartet, bis er sie an einen sicheren Ort gebracht hatte? Wenn sein Vorgehen so planvoll ist, dass es ihm gelingt, in ein Haus einzudringen und den Ehemann zu überwältigen.«
    »Vielleicht ist ja gerade das der Punkt.«
    »Was?«
    »Denken Sie doch einmal nach. Dr. Yeager sitzt da, an Händen und Füßen gefesselt. Gezwungen, hilflos zuzusehen, wie ein anderer Mann in Besitz nimmt, was ihm gehört.«
    »Was ihm gehört«, wiederholte sie.
    »Im Denken dieses Täters ist die Frau genau dies – das Eigentum eines anderen Mannes. Die meisten Vergewaltiger würden es nicht wagen, ein Paar zu überfallen. Sie würden sich für eine allein stehende Frau als leichte Beute entscheiden. Die Anwesenheit eines anderen Mannes macht die Sache gefährlich. Aber dieser Täter musste doch wissen, dass er auf einen Mann treffen würde. Und er hatte sich schon vorher überlegt, wie er sich dieses Problems entledigen würde. Könnte es sein, dass dies für ihn ein Teil des Vergnügens war, ein Teil dessen, was ihn erregte? Dass er einen Zuschauer hatte?«
    Einen Zuschauer. Sie warf noch einen Blick auf das Foto, das Richard Yeagers an die Wand gelehnte Leiche zeigte. Ja, genau das war ihr erster Eindruck gewesen, als sie das Wohnzimmer betreten hatte.
    Zuckers Blick wanderte zum Fenster. Es vergingen einige Augenblicke. Als er wieder sprach, klang seine Stimme leise

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