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Der Meister

Der Meister

Titel: Der Meister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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Hallowells Tochter«, sagte Rizzoli. Sie zog ein Foto von Gail Yeager aus der Tasche und zeigte es Joey.
    »Sie sollten Mr. Whitney fragen. Er führt meistens die Gespräche mit den Kunden. Ich bin bloß sein Assistent …«
    »Aber Sie müssen doch mit Mrs. Yeager über das Make-up für die Aufbahrung ihrer Mutter gesprochen haben. Sie haben schließlich die Leiche zurechtgemacht.«
    Joeys Blick ruhte noch etwas länger auf dem Foto von Gail Yeager. »Sie war eine sehr nette Lady, das weiß ich noch«, sagte er leise.
    Rizzoli warf ihm einen fragenden Blick zu. »War?«
    »Ich habe schließlich auch die Nachrichten verfolgt. Sie glauben doch nicht wirklich, dass Mrs. Yeager noch am Leben ist, oder?« Joey wandte sich stirnrunzelnd zu Korsak um, der im Präparationsraum umherspazierte und in die Schränke lugte. »Äh … Detective? Suchen Sie etwas Bestimmtes?«
    »Nee. Ich wollte bloß mal wissen, was so alles zur Ausstattung eines Beerdigungsinstituts gehört.« Er nahm etwas aus einem der Schränke heraus. »He, ist das etwa ein Lockenstab?«
    »Ja. Wir bieten den kompletten Service – Waschen, Dauerwellen, Maniküren. Wir tun alles, damit unsere Klienten am Ende tipptopp aussehen.«
    »Ich habe gehört, Sie sind ziemlich gut darin.«
    »Bis jetzt waren alle sehr zufrieden mit meiner Arbeit.«
    Korsak lachte. »Und das sagen sie Ihnen selbst, wie?«
    »Ich meine die Familien. Die Familien sind zufrieden.«
    Korsak legte den Lockenstab zurück. »Wie lange arbeiten Sie schon für Mr. Whitney – sieben Jahre?«
    »Ungefähr.«
    »Da müssen Sie ja gleich nach der Highschool angefangen haben.«
    »Anfangs habe ich nur seine Leichenwagen gewaschen. Ich habe den Präparationsraum geputzt, bin nachts ans Telefon gegangen, wenn jemand abgeholt werden musste. Und dann hat mich Mr. Whitney irgendwann beim Einbalsamieren mithelfen lassen. Inzwischen erledige ich so gut wie alles hier; schließlich ist er nicht mehr der Jüngste.«
    »Dann nehme ich doch an, dass Sie eine Konzession haben, hm?«
    Eine Pause trat ein. »Äh, nein. Irgendwie habe ich mich nie dazu aufraffen können, eine zu beantragen. Ich assistiere Mr. Whitney ja bloß.«
    »Warum beantragen Sie keine Konzession? Das wäre doch sicher ein Aufstieg.«
    »Ich bin auch so mit meinem Job sehr zufrieden.« Joey wandte seine Aufmerksamkeit wieder Mrs. Ober zu, deren Gesicht inzwischen rosig glänzte. Er griff nach einem kleinen Kamm und begann braune Schminke in ihre grauen Augenbrauen einzuarbeiten. Seine Bewegungen waren von geradezu liebevoller Behutsamkeit. In einem Alter, in dem die meisten jungen Männer sich mit Begeisterung ins volle Menschenleben stürzen, hatte Joey sich dafür entschieden, seine Tage mit den Toten zu verbringen. Er hatte Leichen aus Krankenhäusern und Pflegeheimen in diesen sauberen, hellen Raum überführt. Er hatte sie gewaschen und abgetrocknet, hatte ihnen die Haare gewaschen und sie mit Cremes und Pudern bearbeitet, um ihnen den Schein der Lebendigkeit zu verleihen. Während er die Schminke auf Mrs. Obers Wangen auftrug, murmelte er: »Sehr schön. O ja, das ist wirklich gut. Sie werden fantastisch aussehen«
    »Also, Joey«, sagte Korsak, »Sie arbeiten seit sieben Jahren in diesem Institut, ja?«
    »Habe ich Ihnen das nicht gerade eben gesagt?«
    »Und Sie haben sich nie um irgendwelche Zeugnisse oder Referenzen bemüht?«
    »Warum stellen Sie mir andauernd diese Frage?«
    »Haben Sie es deswegen nicht versucht, weil Sie wussten, dass Sie ohnehin keine Konzession bekommen würden?«
    Joeys Hand, mit der er gerade den Lippenstift hatte auftragen wollen, erstarrte. Er gab keine Antwort.
    »Weiß der alte Mr. Whitney von Ihrer Vorstrafe?«, fragte Korsak.
    Jetzt endlich blickte Joey auf. »Sie haben es ihm doch nicht gesagt, oder?«
    »Vielleicht sollte ich das tun. Schließlich haben Sie dem armen Mädchen einen gewaltigen Schrecken eingejagt.«
    »Ich war damals erst achtzehn. Es war ein Fehler …«
    »Ein Fehler? Wie soll ich das verstehen? Haben Sie durch das falsche Fenster gelinst? Das falsche Mädchen ausspioniert?«
    »Wir sind zusammen zur Schule gegangen! Es ist nicht so, als hätte ich sie nicht gekannt!«
    »Sie gucken also nur bei Mädchen, die Sie kennen, zum Schlafzimmerfenster rein? Was haben Sie sonst noch so angestellt, ohne dass Sie dabei erwischt wurden?«
    »Ich sagte Ihnen doch, es war ein Fehler!«
    »Haben Sie sich auch schon mal bei einer ins Haus geschlichen? In ihr Schlafzimmer? Vielleicht haben Sie

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