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Der Meister

Der Meister

Titel: Der Meister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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wird schon observiert. Wenn Hoyt sich auch nur in die Nähe wagt, haben wir ihn am Wickel.«
    Es war lange still. Dann sagte Moore leise. »Ich kann nicht mit ihr nach Hause kommen. Ich behalte sie hier, wo ich weiß, dass sie in Sicherheit ist.«
    Rizzoli hörte Angst in seiner Stimme, nicht um sich selbst, sondern um seine Frau, und sie fragte sich mit einem Anflug von Neid, wie es wohl wäre, so innig geliebt zu werden.
    »Weiß Catherine, dass er draußen ist?«
    »Ja. Ich musste es ihr sagen.«
    »Wie hat sie es aufgenommen?«
    »Besser als ich. Wenn überhaupt, ist sie es, die mich zu beruhigen versucht.«
    »Sie hat das Schlimmste schon durchgemacht, Moore. Sie hat ihn zweimal besiegt. Sie hat bewiesen, dass sie stärker ist als er.«
    »Sie glaubt, dass sie stärker ist. Das ist der Punkt, an dem es gefährlich wird.«
    »Nun ja, jetzt hat sie ja Sie.« Und ich habe nur mich selbst. So war es schon immer gewesen, und so würde es vermutlich auch bleiben.
    Er musste ihr die Erschöpfung an der Stimme angemerkt haben, denn er sagte: »Das muss für Sie ja auch die Hölle sein.«
    »Ich komme ganz gut damit zurecht.«
    »Dann kommen Sie besser damit zurecht als ich.«
    Sie lachte; ein schrilles, allzu lautes Lachen – reine Fassade. »Als ob ich die Zeit hätte, mir Gedanken um Warren Hoyt zu machen. Ich habe das Kommando bei einer neuen Task Force. Wir haben mehrere Leichen gefunden, drüben im Wald von Stony Brook.«
    »Wie viele Opfer?«
    »Zwei Frauen, und dazu noch ein Mann, den er getötet hat, als er eine der beiden entführte. Wieder mal eine ziemlich üble Geschichte, Moore. Man weiß ja, dass es besonders schlimm ist, wenn Zucker dem Typen schon einen Spitznamen gibt. Wir nennen diesen Täter den Dominator.«
    »Warum Dominator?«
    »Weil es das ist, was ihn antörnt. Der Macht-Trip. Die absolute Gewalt über den Ehemann. Monster und ihre kranken Rituale.«
    »Klingt wie eine Wiederholung von letztem Sommer.«
    Nurdass du diesmal nicht hier bist, um mir Rückendeckung zu geben. Du hast andere Prioritäten.
    »Irgendwelche Fortschritte?«, fragte er.
    »Es geht sehr schleppend voran. Es sind verschiedene Stellen involviert, ein ziemliches Kompetenzchaos. Newton P. D. ist an dem Fall dran, und – jetzt halten Sie sich fest – das verdammte FBI hat sich auch eingeschaltet.«
    »Was?«
    »Ja. Ein Agent namens Gabriel Dean. Sagt, er sei nur ein Berater, hat aber überall die Finger im Spiel. Ist Ihnen so was schon mal vorgekommen?«
    »Noch nie.« Eine Pause. »Irgendetwas stimmt da nicht, Rizzoli.«
    »Ich weiß.«
    »Was sagt Marquette dazu?«
    »Er zieht den Schwanz ein und stellt sich tot, weil von ganz oben die Order kam zu kooperieren.«
    »Und was sagt Dean?«
    »Der ist nicht gerade gesprächig. Sie kennen den Typ – Motto: ›Wenn ich es Ihnen sagte, müsste ich Sie erschießen.‹« Sie hielt inne und dachte an Deans Blick, an seine Augen, scharf und stechend wie Splitter von blauem Glas. Ja, sie konnte sich durchaus vorstellen, dass er ohne mit der Wimper zu zucken abdrücken würde. »Aber was soll’s«, sagte sie. »Warren Hoyt ist im Moment nicht meine erste Sorge.«
    »Meine schon«, erwiderte Moore.
    »Wenn es irgendetwas Neues gibt, sind Sie der Erste, den ich anrufe.«
    Sie legte auf, und in der plötzlichen Stille war die künstliche Tapferkeit, die sie während des Gesprächs mit Moore an den Tag gelegt hatte, schlagartig verschwunden. Jetzt war sie wieder allein mit ihren Ängsten, allein in einer Wohnung mit verriegelten Türen und Fenstern und einer Pistole als einziger Gesellschaft.
    Vielleicht bist du ja der beste Freund, den ich habe, dachte sie. Und sie griff nach der Waffe und ging damit zurück ins Schlafzimmer.

9
    »Agent Dean war heute Morgen bei mir«, sagte Lieutenant Marquette. »Er hegt gewisse Bedenken gegen Sie.«
    »Das Gefühl beruht auf Gegenseitigkeit.«
    »Es ist nicht so, als ob er Ihre Befähigung in Frage stellt. Er hält Sie für eine ausgezeichnete Polizistin.«
    »Aber?«
    »Er fragt sich, ob Sie die richtige Besetzung für die Leitung dieses Einsatzes sind.«
    Eine Zeit lang erwiderte sie gar nichts; sie saß nur ganz ruhig da und blickte Marquette über seinen Schreibtisch hinweg an. Sie hatte schon geahnt, worum es ging, als er sie an diesem Morgen in sein Büro bestellt hatte. Und sie war mit dem festen Entschluss hingegangen, ihre Emotionen eisern unter Kontrolle zu halten; ihm nichts, aber auch gar nichts von dem zu zeigen, was er erwartete:

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