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Der Meister

Der Meister

Titel: Der Meister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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bloß nicht, für welchen.«
    Rizzoli lehnte sich auf dem Laborstuhl zurück. »Finden Sie diesen Stoff«, sagte sie, »dann finden wir unseren Mörder.«
    »Ja. Denn im Gegensatz zu irgendwelchen Allerweltsteppichböden ist dieser Stoff etwas ziemlich Einzigartiges.«
     
    Die Handtücher mit Monogramm lagen auf dem Couchtisch, wo sie von allen Gästen bewundert werden konnten. AR – für Angela Rizzoli – prangte in kunstvoll verschnörkelten Buchstaben auf dem Frotteestoff. Jane hatte sie in Pfirsich bestellt, der Lieblingsfarbe ihrer Mutter, und sie hatte auch nicht die Kosten für die Deluxe-Geschenkverpackung mit apricotfarbenen Schleifchen und einem Seidenblumensträußchen gescheut. Das Paket war eigens mit FedEx angeliefert worden, weil die rot-weiß-blauen Lieferwagen für ihre Mutter untrennbar mit Überraschungspäckchen und freudigen Ereignissen verbunden waren.
    Und wenn die Party zu Angela Rizzolis neunundfünfzigstem Geburtstag kein freudiges Ereignis war, was dann? Geburtstage wurden bei den Rizzolis sehr groß geschrieben. Jedes Jahr im Dezember, wenn Angela den Kalender für das neue Jahr kaufte, blätterte sie als Erstes alle Monate durch, um die Geburtstage sämtlicher Familienmitglieder einzutragen. Den Geburtstag eines lieben Verwandten zu vergessen, war ein schweres Vergehen. Und den Geburtstag der Mutter zu vergessen, war unverzeihlich, weshalb Jane es nie gewagt hätte, den Tag ohne gebührende Feierlichkeiten verstreichen zu lassen. Sie war es gewesen, die das Eis gekauft und die Wohnung dekoriert hatte; sie war es gewesen, die die Einladungen an das runde Dutzend Nachbarn verschickt hatte, die jetzt im Wohnzimmer der Rizzolis versammelt waren. Sie war es, die den Kuchen schnitt und auf Papptellern an die Gäste verteilte. Sie hatte wie immer ihre Pflicht getan, aber dieses Jahr war die Party ein Flop – und alles wegen Frankie.
    »Da stimmt doch was nicht«, sagte Angela. Sie saß auf dem Sofa, eingerahmt von ihrem Gatten und ihrem jüngeren Sohn Michael, und starrte ohne jede Begeisterung auf den reichlich bestückten Gabentisch – genug Badesalz und Körperpuder, um sie die nächsten zehn Jahre lieblich duften zu lassen. »Vielleicht ist er ja krank. Oder er hatte einen Unfall, und es hat noch niemand daran gedacht, mich anzurufen.«
    »Ma, Frankie fehlt garantiert nichts«, sagte Jane.
    »Genau«, stimmte Michael zu. »Vielleicht haben sie ihn ins – wie heißt das noch mal, wenn sie Krieg spielen?«
    »Manöver.«
    »Ja, ins Manöver geschickt. Oder vielleicht sogar ins Ausland. Auf irgendeine Mission, von der er keinem Menschen was erzählen darf, irgendwo, wo es kein Telefon gibt.«
    »Er ist Ausbilder, Mike. Nicht Rambo.«
    »Sogar Rambo schickt seiner Mutter eine Geburtstagskarte«, brauste Frank senior auf.
    In der plötzlichen Stille gingen alle Gäste instinktiv hinter ihren Kaffeetassen in Deckung und begannen wie auf Kommando von ihrem Kuchen zu essen. Die nächsten paar Sekunden vergingen unter höchst konzentriertem Kauen.
    Gracie Kaminsky von nebenan nahm schließlich all ihren Mut zusammen und brach das betretene Schweigen. »Dieser Kuchen ist ja so was von lecker, Angela! Wer hat den denn gebacken?«
    »Ich«, antwortete Angela schroff. »So weit ist es schon gekommen, dass man sich seinen Geburtstagskuchen selbst backen muss! Aber das ist mal wieder typisch für diese Familie.«
    Jane wurde knallrot, als ob ihr jemand eine Ohrfeige gegeben hätte. Das war allein Frankies Schuld. Eigentlich war er es, auf den Angela sauer war, aber wie immer bekam Jane ihre geballte schlechte Laune ab. In ruhigem und vernünftigem Ton erwiderte sie: »Ich habe dir doch angeboten, einen Kuchen mitzubringen, Ma.«
    Angela zuckte mit den Achseln. »Aus der Bäckerei.«
    »Ich hatte nicht die Zeit, selbst einen zu backen.«
    Es war die reine Wahrheit – aber leider das Falscheste, was sie hätte sagen können. Sie wusste es, kaum dass sie die Worte ausgesprochen hatte. Schon sah sie, wie ihr Bruder zusammenzuckte; er schien schier in der Sofaritze versinken zu wollen. Ihr Vater lief puterrot an; er wusste genau, was jetzt fällig war.
    »So, du hattest keine Zeit«, sagte Angela.
    Jane lachte verzweifelt auf. »Meine Kuchen sind doch sowieso jedes Mal eine Katastrophe.«
    »Du hattest keine Zeit«, wiederholte Angela.
    »Ma, möchtest du ein wenig Eiskrem? Wie wär’s mit …«
    »Da du ja so furchtbar beschäftigt bist, sollte ich wohl auf die Knie niederfallen und dir danken, dass du

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