Der Meister
abzuholen«, sagte Crowe. »Sie haben nicht aufgemacht, und nachdem Petrakas festgestellt hatte, dass die Tür nicht verschlossen war, ist sie hineingegangen, um nach ihnen zu sehen.«
»Er trägt eine Pyjamahose«, stellte Rizzoli fest.
»Die Totenstarre hat schon eingesetzt«, sagte Dr. Isles im Aufstehen. »Und die Leiche ist bereits stark ausgekühlt. Genaueres kann ich erst sagen, wenn ich die Ergebnisse der Glaskörper-Kaliummessung habe. Aber zum jetzigen Zeitpunkt würde ich schätzen, dass der Tod vor sechzehn bis zwanzigStunden eingetreten ist. Das wäre dann …« Sie blickte auf ihre Uhr. »Irgendwann zwischen ein und fünf Uhr früh.«
»Das Bett ist nicht gemacht«, sagte Sleeper. »Das Paar wurde gestern Abend zuletzt gesehen. Sie haben die Symphony Hall gegen elf verlassen; Miss Petrakas hat sie nach Hause gefahren.«
Sie wurden im Schlaf überrascht, dachte Rizzoli, während sie Alexander Ghents Pyjamahose anstarrte. Sie konnten nicht ahnen, dass jemand im Haus war. Und auf ihr Schlafzimmer zuschlich.
»In der Küche ist ein offenes Fenster, das zu einem kleinen Garten hinter dem Haus führt«, sagte Sleeper. »Wir haben im Blumenbeet mehrere Abdrücke gefunden, aber nicht alle in derselben Schuhgröße. Manche könnten vom Gärtner stammen oder auch von den Opfern selbst.«
Rizzolis Blick fiel auf das Klebeband, mit dem Alexander Ghent an den Fußknöcheln gefesselt war. »Und Mrs. Ghent?«, fragte sie. Die Antwort kannte sie bereits.
»Wird vermisst«, sagte Sleeper.
Sie suchte die unmittelbare Umgebung der Leiche ab, konnte jedoch keine zerbrochene Teetasse, keine Porzellanscherben entdecken. Irgendetwas stimmt hier nicht, dachte sie.
»Detective Rizzoli?«
Sie fuhr herum und sah einen Beamten von der Spurensicherung im Flur stehen.
»Der Posten sagt, da draußen ist ein Typ, der behauptet, Sie zu kennen. Er macht einen Riesenaufstand, will unbedingt, dass wir ihn reinlassen. Wollen Sie mal nach ihm sehen?«
»Ich weiß, wer er ist«, sagte sie. »Ich gehe und hole ihn.«
Korsak stapfte rauchend auf dem Gehsteig auf und ab. So fuchsteufelswild war er über die unverschämte Einstufung seiner Person als schaulustiger Zivilist, dass sogar aus seinen Ohren Rauch aufzusteigen schien. Als er sie sah, warf er sofort die Kippe weg und zerquetschte sie mit dem Absatz wie ein widerliches Insekt.
»Sie wollen mich wohl nicht dabeihaben, wie?«, sagte er.
»Hören Sie, es tut mir Leid. Der Posten war nicht informiert.«
»Verdammtes Greenhorn! Respekt scheint für den ein Fremdwort zu sein.«
»Er wusste nicht Bescheid, okay? Es war mein Fehler.« Sie hob das Absperrband an, und er zwängte sich darunter hindurch. »Ich will, dass Sie sich das ansehen.«
An der Haustür wartete sie, bis er sich mit Überschuhen und Latexhandschuhen ausgerüstet hatte. Er verlor fast das Gleichgewicht, als er auf einem Fuß zu balancieren versuchte. Sie trat dazu, um ihn zu stützen, und registrierte erschrocken, dass sein Atem nach Alkohol roch. Sie hatte ihn von ihrem Auto aus angerufen und ihn an seinem freien Abend zu Hause erwischt. Jetzt bedauerte sie, dass sie ihn überhaupt alarmiert hatte. Er war jetzt schon wütend und aggressiv gestimmt, aber sie konnte ihm den Zutritt nicht verweigern, ohne eine geräuschvolle Szene zu provozieren, die wahrscheinlich die ganze Nachbarschaft auf sie aufmerksam machen würde. Sie konnte nur hoffen, dass er nüchtern genug war, um sie nicht beide in Verlegenheit zu bringen.
»Okay«, schnaufte er. »Zeigen Sie mir, was Sie haben.«
Im Wohnzimmer starrte er schweigend auf den toten Alexander Ghent herab, der zusammengesunken in seinem Blut saß. Korsaks Hemd war aus der Hose gerutscht, und er schniefte wieder einmal geräuschvoll, als hätte er Polypen. Sie sah, wie Crowe und Sleeper in ihre Richtung schielten, sah Crowe die Augen verdrehen und war plötzlich voller Wut auf Korsak, weil er in diesem Zustand aufgekreuzt war. Sie hatte ihn angerufen, weil er im Fall Yeager der erste Detective am Tatort gewesen war und sie sich für seinen Eindruck von diesem neuesten Verbrechen interessierte. Was sie stattdessen bekommen hatte, war ein betrunkener Cop, der sie schon durch seine bloße Anwesenheit blamierte.
»Könnte unser Bursche gewesen sein«, sagte Korsak.
Crowe schnaubte verächtlich. »Was Sie nicht sagen, Sherlock.«
Korsaks blutunterlaufene Augen richteten sich auf Crowe. »Sie sind sicher einer von diesen Wunderknaben, wie? Haben wohl die Weisheit mit
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