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Der Meister

Der Meister

Titel: Der Meister Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tess Gerritsen
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nahm sie in seinem Wagen mit. Ihr Ziel, die Stadt Shirley, lag rund siebzig Kilometer westlich von Boston. Während der Fahrt sprach Dean wenig, doch das Schweigen ließ sie seine Gegenwart nur noch bewusster wahrnehmen; seinen Duft, seine ruhige und gelassene Ausstrahlung. Sie wagte kaum, ihn anzusehen, aus Furcht, er könne an ihren Augen ablesen, welch ein Gefühlschaos er in ihr ausgelöst hatte.
    Die Luft aus der Klimaanlage war allzu kühl. Rizzoli schloss die Lüftungsklappe vor ihren Knien und blickte hinaus auf Wiesen mit hoch stehendem Gras. Wie viel lieber wäre sie jetzt draußen in der Hitze gewesen als in diesem überklimatisierten Käfig. Der Morgendunst hing wie Gaze über den grünen Feldern, und nicht der leiseste Windhauch rührte an den Blättern der Bäume. Es kam nicht oft vor, dass Rizzoli sich in das ländliche Massachusetts verirrte. Sie war schon immer ein Stadtmensch gewesen; auf dem Land mit seinen weiten, menschenleeren Flächen und lästigen Insekten fühlte sie sich fehl am Platz. Und auch heute konnte sie seinen Reizen nichts abgewinnen.
    Sie hatte schlecht geschlafen. Mehrmals war sie in der Nacht hochgeschreckt und hatte mit pochendem Herzen auf die Schritte, den flüsternden Atem eines imaginären Eindringlings gelauscht. Um fünf war sie aufgestanden und schlaftrunken in die Küche gewankt. Erst nach zwei Tassen Kaffee hatte sie sich fit genug gefühlt, um im Krankenhaus anzurufen und sich nach Korsaks Befinden zu erkundigen.
    Er lag immer noch auf der Intensivstation. Musste immer noch künstlich beatmet werden.
    Sie drehte das Fenster einen Spalt breit herunter. Warme Luft strömte herein, der Geruch von Gras und Erde. Der traurige Gedanke schoss ihr durch den Kopf, dass Korsak vielleicht nie wieder solche Düfte genießen, nie wieder den Wind in seinem Gesicht würde spüren können. Sie versuchte sich zu erinnern, ob die letzten Worte, die sie gewechselt hatten, gute, freundliche Worte gewesen waren, doch es gelang ihr nicht.
    An der Ausfahrt 36 folgte Dean den Schildern zum Justizvollzugskomplex Shirley. Souza-Baranowski, das Hochsicherheitsgefängnis der Stufe 6, in dem Warren Hoyt eingesessen hatte, tauchte zu ihrer Rechten auf. Dean fuhr auf den Besucherparkplatz, stellte den Motor ab und sah Rizzoli an.
    »Wenn es Ihnen irgendwann zu viel wird, gehen Sie einfach«, sagte er.
    »Wieso denken Sie, dass ich kneifen werde?«
    »Weil ich weiß, was er Ihnen angetan hat. Jeder Polizist in Ihrer Situation hätte Probleme damit, diesen Fall zu bearbeiten.«
    Sie las echte Sorge in seinen Augen. Seine Anteilnahme war ihr unangenehm, denn sie erinnerte sie nur daran, wie brüchig ihr Mut tatsächlich war.
    »Bringen wir es einfach hinter uns, okay?«, sagte sie und stieß ihre Tür auf. Getrieben von Stolz marschierte sie schnurstracks auf den Eingang zu und weiter durch die Sicherheitskontrolle, wo sie und Dean ihre Dienstausweise vorzeigten und ihre Waffen ablieferten. Während sie auf den Vollzugsbeamten warteten, der sie begleiten sollte, las sie sich die Kleiderordnung durch, die im Empfangsbereich aushing:
    Es ist untersagt, den Sicherheitsbereich barfuß zu betreten. Des Weiteren ist Besuchern das Tragen folgender Kleidungsstücke untersagt: Badeanzüge oder Shorts; jegliche Kleidung, die Zugehörigkeit zu einer kriminellen Gruppe demonstriert; jegliche Kleidung, die der Anstaltskleidung oder den Uniformen des Personals ähnelt; gefütterte Kleidung; Kleidungsstücke mit Kordeln; Spezialbekleidung für Behinderte; extrem weite, lose, dicke oder schwere Kleidungsstücke …
     
    Die Liste war schier endlos; von Haarbändern bis hin zu Bügel-BHs war fast alles verboten.
    Endlich erschien ein Vollzugsbeamter, ein korpulenter Mann in blauer Sommeruniform. »Detective Rizzoli und Agent Dean? Ich bin Officer Curtis. Hier entlang bitte.«
    Curtis gab sich freundlich, ja herzlich, als er die erste Zwischentür aufsperrte und sie in die Besucherschleuse führte. Rizzoli fragte sich, ob er wohl ebenso zuvorkommend wäre, wenn sie nicht als Angehörige der Strafverfolgungsorgane derselben Kaste wie er angehörten. Er wies sie an, Gürtel, Schuhe, Jacken und Armbanduhren auszuziehen und auf einen Tisch zu legen, damit er sie inspizieren konnte. Rizzoli nahm ihre Timex ab und legte sie neben Deans funkelnde Omega. Dann streifte sie ihren Blazer ab, während Dean sich ebenfalls seiner Jacke entledigte. Die ganze Aktion hatte etwas unangenehm Intimes. Während sie ihren Gürtel

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