Der Memory Code
wollen!”
“Wenn Sie wüssten, wie ernst ich meinen Beruf nehme, würde Ihnen die erste Antwort genügen.”
“Können Sie sie nicht unter Personenschutz stellen?”
“Solange sie nicht bedroht wurde, nicht. Ich wünschte, ich könnte es.”
“Dann tun Sie’s doch, verdammt und zugenäht!” Der Professor starrte den Polizisten durchdringend an, als wolle er ihn einschüchtern, aber der hielt dem Blick ungerührt stand und zuckte mit keiner Wimper – die klassische Pattsituation.
Schließlich unterbrach Gabriella das gespannte Schweigen. “Lass sie, Dad. Ich bin nicht in Gefahr. Die Täter hatten es ja nicht auf mich abgesehen, sondern auf etwas, was sie hier vermuteten.”
“Woher willst du das wissen?”, fragte ihr Vater.
Der ältere der Polizisten, der sich schon auf der Schwelle befand, drehte sich alarmiert um.
“Genau weiß ich es nicht. Aber es sieht doch so aus, oder nicht?” Sie ließ den Blick von ihrem Vater zu den zwei Beamten schweifen. “Vielen Dank für Ihre Hilfe. Benachrichtigen Sie mich, wenn Sie Ergebnisse vorliegen haben?”
Die Polizisten rührten sich nicht. Fast hatte es den Anschein, als wollten sie zuerst Gabriellas Antwort auf die Frage ihres Vaters hören, aber sie hatte keine Lust, vor den beiden zu reden.
“Danke nochmals”, wiederholte sie.
Jetzt blieb den Beamten nichts anderes übrig, als sich zu trollen.
Sobald sich die Tür hinter den beiden geschlossen hatte, wiederholte Peter Chase seine Frage. “Woher willst du wissen, dass der Einbruch nicht dir persönlich galt?”
Er wartete. In der Stille hörte man, wie sich die Schritte der Polizisten entfernten.
“Gabriella?” Er ließ nicht locker.
“Weil mir dasselbe in meiner Wohnung in Rom passiert ist. Da wurde am letzten Abend ebenfalls eingebrochen. Deswegen ja meine Abreise.”
“Und wieso erfahre ich das erst jetzt?”, fragte ihr Vater mit angespannter Stimme. “Und? Wurde da etwas gestohlen in Rom?”
“Mein Laptop. Ein paar Fotos.”
“Meine Güte, Mädchen, in was hast du dich denn da verstrickt?”, wollte ihr Vater wissen.
“In etwas sehr Altes, Dad. Etwas sehr Mächtiges. Zumindest nehmen wir das an. Oder nahmen es an, besser gesagt. Nein, nicht wir … Ich! Rudolfo ist ja tot. Es ist also meine Annahme.”
Am Abend zuvor – ihre Tochter hatte schon längst geschlafen – hatte sie sich eine Jeans und ein altes, bequemes Sweatshirt von ihrem verstorbenen Mann angezogen, einen Wodka Tonic eingeschenkt und dann ihrem Vater berichtet, was sich in Rom ereignet hatte, zumindest in groben Zügen. Danach war sie in ihr Arbeitszimmer gegangen, das gleichzeitig als ihr Privatarchiv diente, und hatte in einer Schublade nach einer Visitenkarte gekramt, die dort die letzten dreieinhalb Jahre gelegen hatte.
Nervös hatte sie zum Telefon gegriffen, dann aber gemerkt, wie ihr die Hände zitterten, und gleich wieder aufgelegt. Sie hatte den Anruf schon des Öfteren erledigen wollen, es aber nie geschafft. So neugierig sie auch war, sie durfte die Ausgrabung nicht aufs Spiel setzen. Und wer wusste schon, was passieren würde, wenn sie sich mit dem Geistlichen in Verbindung setzte, der ihr damals die Pläne mit der Lage der Grabungen übergeben hatte? Nach all den Fehlschlägen der vergangenen zwei Jahre war es ein schönes Gefühl, sich wieder einmal auf etwas freuen zu können, und deshalb wollte sie sich die Vorfreude auf die Ausgrabung auch durch nichts verderben lassen.
Aber das war nun alles Schnee von gestern.
Seit jenem verschneiten Sonntag von vor vier Jahren, als Father Dougherty ihr in der Kapelle von Yale die Unterlagen gab, hatte Rudolfo sie mehrmals aufgefordert, Kontakt mit dem Pater aufzunehmen und ihm den Rest des Tagebuches abzuhandeln.
Es gebe doch so viele offene Fragen, so seinerzeit Rudolfos Begründung.
Nun gab es sogar noch mehr. Viel mehr. Zu viele!
Mit zitternden Fingern tippte sie die Nummer ein. Das Rufzeichen ertönte dreimal, dann nahm jemand den Hörer ab, und eine angenehme Stimme sagte: “Father Francis hier. Was kann ich für Sie tun?”
“Mein Name ist Gabriella Chase. Bitte entschuldigen Sie die späte Störung. Könnte ich bitte Father Dougherty sprechen?”
“Father Ted Dougherty?”
“Ja.”
“Oh. Das tut mir leid. Er weilt nicht mehr unter uns.”
“Könnten Sie mir sagen, wo ich ihn erreichen kann?”
“Im Himmel, will ich doch hoffen. Father Dougherty ist tot.”
“Ach! Wie schrecklich. Das tut mir aber leid. Wann ist er denn
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