Der Memory Code
Malachai, wobei er die Karten ein drittes Mal mischte. “Wicca, Hexenglaube, heidnische Religionen, Reinkarnation – all das kratzt am Allmachtsanspruch der Kirche, und das zu einer Zeit, in der sie sich einen solchen Machtverlust nicht leisten kann. Nein, den Kirchenfürsten liegt nichts daran, dass die Steine wieder auftauchen, ganz zu schweigen von ihren magischen Kräften. Wenn die Kirche der Drahtzieher ist, finden wir den Schatz im Leben nie wieder, und zu kaufen wären sie auch nicht.”
“Meinst du denn, sie werden auf dem Markt angeboten?”
“Was weiß ich? Aber das kriege ich raus. Nach all den Jahren werfe ich die Flinte nicht so schnell ins Korn. Auf keinen Fall, zumal wir so nah dran sind. Die Steine sind gestohlen worden – entweder für jemanden innerhalb der Kirche oder für einen bestimmten Sammler oder für den Verkauf auf dem Schwarzmarkt. Ich habe bereits eine Belohnung für Hinweise ausgesetzt, die uns einer Antwort näherbringen. Wenn die Steine zum Verkauf angeboten werden, greife ich tief in die Tasche, verlass dich drauf. Ich und aufgeben? Von wegen! Ich will diese Steine!”
Jetzt mischte er die Karten schon zum vierten Mal. “Und deshalb müssen wir zu Gabriella. Sie kann uns helfen. Könntest du sie anrufen und fragen, wann sie mal Zeit hat? Dann könnten wir einen Abstecher rauf nach Yale machen. Sieh zu, dass sie uns für morgen noch in ihren Terminkalender quetscht. Mach ihr klar, dass wir uns gegenseitig helfen können, und zwar gewaltig …”
“Du hast doch gesagt, dass du mit ihr gesprochen hast! Warum hast du sie nicht selber gefragt?”
“Sie war bei ihrer kleinen Tochter, da wollte ich sie nicht zu lange am Telefon festhalten. Außerdem habe ich das Gefühl, dass sie für dich ein offeneres Ohr hat als für mich.”
“Wie kommst du denn darauf?”
“Na, ich bin jedenfalls nicht derjenige, der meint, sie könnte seine lang vermisste Herzliebste sein.”
“Ich auch nicht. Es gibt nichts, was darauf hindeutet, dass sie das sein könnte. Keinerlei Rückblenden oder so etwas.” Auch wenn es ihm nicht unlieb gewesen wäre. Aber das sprach er nicht laut aus.
“Tatsächlich? Nichts? Mir war, als hätte ich da was gespürt. Einen Funken, eine Verbindung.”
“Wie viel würdest du denn für die Steine ausgeben?” Josh wechselte das Thema.
Malachai packte den Kartenstapel auf die lederne Schreibunterlage, fächerte die Karten halbkreisförmig aus und befahl: “Zieh eine!”
Josh zuckte schon mit der Hand, überlegte es sich dann aber anders und wählte eine neue Karte.
“Fünf Millionen”, sagte Malachai, ehe Josh die Karte umdrehte.
Es war die Karo Fünf.
42. KAPITEL
J oshs Wahnanfälle – oder was es sonst sein mochte – warteten nicht auf eine Einladung, und es scherte sie auch nicht, dass sie ihm lästig waren. Ihnen hilflos ausgeliefert zu sein, hielt ihn permanent in einem Zustand unterschwelligen Unbehagens. Er kam nicht zur Ruhe. Er wusste, dass er jederzeit und aus ihm unerfindlichen Gründen, auf die er zudem keinen Einfluss hatte, in einen Gedächtnissprung fallen konnte. Weder gab es eine Vorwarnung, noch bot sich ihm die Möglichkeit, seine inneren Filme aufzurufen oder abzubrechen. Zwar hoffte er, dass Malachai recht hatte mit seiner Bemerkung, alles sei Teil eines höheren Plans, aber er hatte doch seine Zweifel. All das, verstärkt noch durch seinen Jetlag, sorgte an diesem Morgen für einen angespannten Gemütszustand. Ihm stand nicht der Sinn danach, in der Stiftung herumzusitzen und zu warten; viel lieber wollte er Gabriella unverzüglich aufsuchen, von ihr aus erster Hand über die Einbrüche in Rom und New Haven erfahren und mit eigenen Augen sehen, dass ihr auch nichts passiert war. Doch jedes Mal, wenn er anrief, meldete sich nur der Anrufbeantworter.
Kurz vor zehn spürte er erste Anzeichen einer Migräne und schluckte zwei Tabletten, die die rasenden Kopfschmerzen abwehren sollten. Er massierte sich die Schläfen. Es war still in seinem Büro. Zu still. Vor seiner Kopfverletzung hatte er immer Musik um sich gehabt, Jazz und Swing, den er schon als Jugendlicher gern gehört hatte, oder erdige Rockmusik. Was vormals auf reiner Musikbegeisterung beruhte, hatte sich in den vergangenen sechzehn Monaten notgedrungen in ein Muss verwandelt. Stille machte die Erinnerungssprünge nämlich nur noch schlimmer.
Er holte den Kopfhörer hervor, den er für alle Fälle bereithielt, doch es war zu spät. Das Aroma von Jasmin und Sandelholz lag
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