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Der Mensch vom Mars. Roman.

Der Mensch vom Mars. Roman.

Titel: Der Mensch vom Mars. Roman. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Professor. »Bis zwölf oder bis halb eins müssen wir etwas erreicht haben.«
    »In diesem Zeitraum ist es ausgeschlossen«, sagte Fink, »aber es gibt eine andere Möglichkeit – den Kegel in die Luft zu jagen, zum Beispiel mit Ekrasit.«
    »Was, zerstören? Nein, niemals«, riefen alle übereinstimmend.
    »Meine Herren, ich bin stolz auf Sie!« Professor Widdletton stand auf. »Ich frage Sie noch einmal, sollen wir nach den Vorschlägen von Ingenieur Fink verfahren?«
    »Ja.«
    »Also dann bitte an die Arbeit.« Der Professor schaute Fink an. »Welche optimalen Schutzbestimmungen schreiben Sie vor?«
    Fink überlegte. »Schutzanzüge müssen alle tragen, auch auf dem Korridor. In der Nähe der Kammer wird immer nur einer sein – die Gasgranaten müssen bereit liegen – und Gasmasken für uns. Die erste Etappe, das ist das Bohren. Ich denke, das läßt sich so machen, wie McMoor vorgeschlagen hat. Daran habe ich auch schon gedacht. Das Weitere wird sich finden.«
    Der Korridor war leer. Ich war an der Reihe. Ich stand an der Stahltür, hielt den Hörer des provisorisch gelegten Telephons sprechbereit und spähte angestrengt ins Innere der Kammer. Ich war schon der zweite – nach dem Doktor – und beobachtete, wie in dem weißblauen elektrischen Licht die Bohrmaschine leise pfiff und zischte, die auf einem eisernen Untersatz an der geheimnisvollen, auf Böcken ruhenden Maschine angebracht war.
    Der breite Bohrer aus Vanadiumkarbid-Stahl fraß sich in die harte Kegelhülle hinein. Die vibrierenden Windungen des Lichtfadens zitterten. Mit einer Hand hielt ich den Hörer umfaßt, in der anderen hielt ich den elektrischen Schalter der Bohrmaschine, der vor der Tür der Kammer am Kabel angebracht war, und wartete. Vorläufig passierte noch nichts, das Eindringen des Bohrers war überhaupt nicht zu erkennen, aber da ich wußte, welche Überraschungen uns dieses mechanische Ungeheuer schon bereitet hatte, war ich bis zum Äußersten angespannt.
    »Na, was gibt es?« ertönte die Stimme des Professors aus dem Hörer.
    »Alles beim alten«, antwortete ich. »Vielleicht sollte man den Bohrer auswechseln?«
    Ich hörte, wie der Professor etwas zu jemandem sagte, wohl zum Ingenieur, als ich erstarrte. Eine vielleicht zwei Meter lange schwarze Schlange, die auf dem Boden lag, zuckte, dann bewegte sich eine zweite, eine schwache Krampfwelle lief zitternd durch die Stahlwindungen und glitt darauf in der entgegengesetzten Richtung zurück.
    »Professor!« sagte – nein, schrie ich in den Hörer. »Er bewegt sich, zuckt mit den Fühlern. Soll ich den Bohrer ausschalten?«
    »Nein, fahren Sie fort, um Gottes willen«, war eine schwache, ferne Stimme zu vernehmen. Ich wartete also weiter. Ich bin kein Feigling, bin nie einer gewesen, aber ich spürte, daß ich schweißüberströmt war. Ich wartete. Ich wartete und wartete und wußte, daß etwas vor sich ging. Und daß diese Gefahr so geheimnisvoll und so unsichtbar war, war schlimmer, weit schlimmer als die Angst vor dem Tod.
    Ein Schlangenrohr bäumte sich von der Erde aus auf, zischte wie eine Stahlpeitsche aus der Hölle durch die Luft und klatschte gegen den Bohrer. Man hörte das Krachen von zersplitterndem Stahl – die Splitter sausten durch die Luft. Ich betätigte den Schalter mit der Hand – der Bohrer stand still.
    »Herr Professor! Er hat den Bohrer mit seiner verdammten Hand zerschlagen«, rief ich in den Hörer.

»Ich komme gleich.«
    Ich wartete wieder. Inzwischen hatte sich das Ungeheuer beruhigt, und ich bemerkte keine Anzeichen von Bewegung mehr. Oder auch von Leben.
    Der Professor kam fast geräuschlos, begleitet vom Ingenieur, der einen neuen Bohrer in der Hand trug. Ich trat beiseite, und sie spähten durch das Guckloch.
    »Er ließ das Schlangenrohr herumschnellen, was?« Der Professor nickte. »Das ist ein stures Vieh, was?«
    »Ich glaube, wir sollten ihm eine Portion verabreichen – oder versuchen, ein neues Mittel zu finden: Chloroform oder Steuerung, nicht wahr?«
    »Wohl, um ihn ganz zu vergiften, was?« sagte der Professor mit solcher Entrüstung, als stünden wir am Krankenbett eines teuren Angehörigen.
    Fink nickte. »Der Professor hat recht. Der Verlust eines jeden von uns ist zu ersetzen, wenn wir ihn jedoch töten oder zerstören, so läßt sich das nicht mehr wiedergutmachen.« Nach diesen Worten schob er den Riegel zurück und ging hinein.
    Wir warteten mit angehaltenem Atem. Der Ingenieur stieß mit dem Fuß die Trümmer des Bohrers

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