Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Mensch vom Mars. Roman.

Der Mensch vom Mars. Roman.

Titel: Der Mensch vom Mars. Roman. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
Vom Netzwerk:
darunter leiden, weil er sich nicht bewegen kann.« Der Doktor nickte. Ich nahm Fink auf und trug ihn in mein Schlafzimmer.
    Unterwegs traf ich auf den Professor, der herbeistürzte. Er sagte nichts, sondern warf mir nur einen Blick zu, daß mich ein Schauder überlief, und sprang in den Aufzug.
    Ich hatte vielleicht fünf Minuten bei Fink gesessen; als ich sah, wie gleichmäßig er atmete, überlegte ich, daß mein Platz unten sei. Ich deckte ihn zu und ging.
    In der Montagehalle hatte Widdletton das Kommando übernommen.
    Diese ständige Bevormundung begann mir auf die Nerven zu gehen. Um die gute Laune nicht zu verlieren, begann ich mir leise einen Kinderreim vorzusagen: Mary had a little lamb / Its fleece was white as snow / And everywhere that Mary went / the lamb was sure to go. Als ich damit fertig war, begann ich es zu buchstabieren. Da ertönte ein dreifaches schrilles Gesumm, und die rote Lampe brannte vor meinem Gesicht.
    »Achtung«, rief Frazer. »McMoor – Sie denken, langsam und ruhig. Ich schalte den Strom ein.«
    »Wo bleibt er?« erwiderte ich, und es ertönte ein tiefes Heulen. Ich begann in meiner Erinnerung zu kramen. Ich starrte intensiv auf die Hochglanzphotos vom Mars und erinnerte mich an seine Kanäle und Wüstengebiete, soweit ich konnte, und kramte weiter in der Erinnerung. Hinter meinem Rücken ertönte ein Summen – mochten sich die anderen darum kümmern! Der Reihe nach schaute ich mir die Photos an, ab und zu schloß ich die Augen; zuweilen stellte ich sie mir genau vor, dann sah ich wieder mehrere auf einmal. Stufenweise ging ich weiter, bis ich beim letzten Photo angelangt war. Jetzt sollte ich mich in eine mustergültige versöhnliche Gemütslage versetzen. Ich stellte mir die Erde vor, das große Amerika auf der Vorderseite, die mit einem breiten Streifen mit dem Mars verbunden war, und auf diesem Streifen stand geschrieben: »Stop! Sie dürfen nichts mit Worten sagen.«
    In diesem Augenblick erlosch das Licht. Frazer schaltete den Transformator aus und sprang ans Telephon. Da er mich vergessen zu haben schien, befreite ich mich mit eigener Hand von der Haube und sah ihn an. Er hielt den Hörer ans Ohr gepreßt und wartete. Die Sekunden verstrichen langsam.
    »Und, und?« fragte ich. Frazer schüttelte verneinend den Kopf. Ich stand vom Stuhl auf. Frazer drückte einige Male auf die Gabel und schrie: »Hallo, hallo«, dann wartete er wieder.
    Ich hielt es nicht mehr aus.
    »Ich laufe runter. Weiß Gott, was dort los war!« Und bevor er etwas sagen konnte, war ich schon aus dem Zimmer. Im Aufzug konnte ich nicht ruhig stehen, ich lief ins Erdgeschoß hinunter, nahm vier Stufen auf einmal. Als ich in die Montagehalle kam, packte mich die Lärmwelle der Motoren. Ich öffnete die Tür – sah in die Halle und erstarrte. Im violetten Licht der künstlichen Blitze erkannte ich, daß der schwarze gedrungene Kegel lebte. Er bewegte sich langsam, schwankend auf der Stelle, und seine Fühler führten ruhige, nicht zitternde Bewegungen aus, als beschwörten sie etwas oder beschrieben eine komplizierte Kurve. Die Luft war von Donner und Getöse erfüllt.
    Eine Gruppe von Männern stand bei der Schalttafel: der große Lindsay, mit schweißüberströmtem Gesicht, in der Lederschürze, die Hand auf dem Ausschalthebel. Neben ihm stand der Professor, gleich hinter ihm Gedevani.
    Ich schloß die Tür. Ich weiß nicht, ob mich der Marsianer bemerkte – jedenfalls streckte er die Fühler seitlich aus und hielt sie einige Minuten waagrecht. Dann führte er plötzlich zwei der Fühler zusammen, und ich sah die Funken, die zwischen den beiden Enden übersprangen. Dann lösten sich die Fühler auf den Seiten, fuhren in die Höhe und wirbelten in umgekehrter Richtung durch die Luft. Irgendwie beschrieb er den Abstellort der Walze. Wollte er damit etwas ausdrücken? Der Marsianer wiederholte unbeholfen die Bewegungen – wie eine Maschine –, aber er ist doch eine Maschine, ging es mir durch den Kopf.
    Er ließ die Fühler sinken, dann hob er sie an und zeichnete waagrechte Kreise, manchmal so schnell, daß nur zwei undeutliche Walzen sichtbar wurden. Der Professor löste sich plötzlich von der Gruppe und ging durch die Seitentür hinaus. Ich stand wie angewurzelt da, mit weit aufgerissenen Augen. Der Marsianer wiederholte seine Bewegungen immer wieder und wurde immer schneller. Wieder vereinigte er zwei Fühler, schob sie auseinander und ließ durch den Zwischenraum zwischen den Fühlern knatternd

Weitere Kostenlose Bücher