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Der Mensch vom Mars. Roman.

Der Mensch vom Mars. Roman.

Titel: Der Mensch vom Mars. Roman. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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ohnmächtig an der Wand, in ihrer Kraftlosigkeit wirken sie dumm, sie zittern – sie zittern? Nein. Professor Widdletton kreuzt die Hände auf der Brust und blickt auf diese gewölbten leuchtenden Glasscheiben in der Hülle des Aeranthropos. Der Kegel bewegt sich vom Professor weg, plötzlich berührt ein Fühler den alten Mann, und dieser stürzt zu Boden, wie vom Blitz getroffen. Der Kegel achtet nicht darauf. Er geht auf mich zu, klopft mit den Fühlern, knallt mit den Klauen seiner Tentakel auf den Beton, so daß unter dem Untersatz Funken und Zementklümpchen sichtbar werden. Nun steht er vor mir – ein nie endenwollender Augenblick. Ich sehe alles wie im Nebel, nur dieser schwarze Kegel ist nahe, mit den sich windenden Fühlern ...
    Plötzlich schlug der Blitz ein.
     
    Ich wurde irgendwohin geschleudert. Es heulte und pfiff wie ein Orkan. Wohin fliege ich? wunderte ich mich. Mein Körper wog nichts, aber ich wunderte mich nicht darüber. Es heulte immer noch dumpf. Plötzlich begann es wieder hell zu werden, als würde jemand eine große beschlagene Fensterscheibe, vor der ich stand, abwischen. Was war los?
    Ich sah die Wüste. Sie zog sich kilometerlang dahin, graugelb, voller Geröll, von mächtigen Trichtern und Sanddünen unterbrochen, eine Wüste, über der ein gewaltiger, schrecklich tiefer, hellgrüner Himmel zu sehen war. Wie sonderbar dieser Himmel war! Er war irgendwie kleiner, aber er erhitzte sich ganz stark, stand hoch, selbst vor meinem Kopf. Die Wüste näherte sich mir. Flog ich? Wo waren meine Arme und Beine? Da war nichts. Da war nichts. Ich war überhaupt nicht da, nur die Augen oder auch das Gehirn. Aber ich sah es. Eine schwindelerregende Flugbahn näherte sich dem Boden. Plötzlich sah ich es. Unter mir, tief unten, zogen da irgendwo zwei gigantische Gitterwerke oder auch Stahltürme dahin, die tief in den Sand eingebettet waren.
    Ich sank im Flug immer tiefer. Die Türme bewegten sich von allein – bewegten sich mit waagrechten, dünnen Armen, und am Ende dieser Arme befanden sich breite, leuchtende Scheiben. Und als sich diese Scheiben auf biegsamen Armen dem Boden näherten, brach der Sand ein, sank in sich zusammen, als hätte sich unter ihm eine plötzliche Leere aufgetan; er schrumpfte einfach vor den Augen zusammen. Lediglich die Reste wurden vom donnernden heißen Wüstenwind zerstäubt. So entstand ein Kanal von gigantischer Größe, der sich in grenzenlose Weiten erstreckte. Wozu diente dieser Kanal? Wie funktionierten diese Maschinen? Aber das ist unmöglich, sagte ich mir, wohin wird dieser ausgehobene Sand gebracht? Er verschwindet doch nicht einfach? Und wenn er verschwindet, wer lenkte dann die Maschine? Sie arbeitete langsam und rhythmisch und bildete bei jeder Bewegung der Arme eine mächtige regelmäßige Vertiefung in Form einer Wanne im Boden, mit einer Breite von einigen hundert Metern, vielleicht Kilometern? Der Wind brauste furchterregend.
    Jetzt begann die Luft vor mir zu wirbeln. Sie verdichtete sich, wurde dunkler ... und verfestigte sich. O Gott! Es war ein schwerer Metallkegel, der in Tentakel auslief und langsam mit einer vibrierenden Bewegung niedersank, wie ein Blatt vom Baum. Er fiel schwarz und klein bei den Maschinen nieder und kroch unter sie. Nach einem Augenblick tauchte er wieder auf, hob die Tentakel an, ein gläserner Umriß schien rings um ihn anzuschwellen. Es wirbelte vor den Augen. Der schwarze Kegel verschwand in einem Sandwirbel. Wo war er geblieben? Ich strengte meine Augen nochmals an, als ich bemerkte, daß ich den Boden berührte, versank, weiter und weiter. Ich wollte schreien, aber Dunkelheit umgab mich. Ich atmete frei, aber wo waren meine Lungen? Mein Körper? War ich nur mit den Augen da? Hörte ich etwas? Ja, ich hörte ein rhythmisches, sehr fernes, gedämpftes Dröhnen. Bumm – und eine Pause – und wieder: bumm. Ein Licht glühte auf. Nein, es stimmte nicht, es war kein Licht, aber ich konnte sehen. Ich sah keine beleuchteten Gegenstände, aber ich wußte, daß sie da waren. Es war so wie das Gefühl von einem Blick, der einen in den Rücken trifft, nur tausendfach schwächer. Mich packte eine furchtbare Angst. Ich spürte, daß rings um mich viele Gegenstände waren. Ich sah sie nicht, aber ich wußte, daß sie da waren. Wie in einem Alptraum, als könnte ich mich nicht mehr erinnern, ich verstand ihren Sinn und Zweck nicht. Da waren halbelliptische Hallen, riesige Hallen, in Dunkelheit getaucht, wo sich Reihen von Kegeln

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