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Der Mensch vom Mars. Roman.

Der Mensch vom Mars. Roman.

Titel: Der Mensch vom Mars. Roman. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stanislaw Lem
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Kleines, Schwarzes, Gezacktes.
    »Professor!« brüllte ich. »Strom ausschalten, um Gottes willen, den Strom ausschalten!« Ich hatte begriffen, was der Aeranthropos vorhatte. Was für ein höllisches Gebilde! Sein ganzes Verhalten war eine Falle, eine satanische Diplomatie: Er benutzte unseren Strom nicht zur Verständigung, sondern um sich von uns unabhängig zu machen. Er bemühte sich, die Teile der Apparatur, egal aus welchem Material, abzumontieren, und er konnte doch zerstören, also konnte er mit Sicherheit auch etwas erschaffen.
    »Strom ausschalten!« schrie ich. Jetzt sahen alle, wie sich der Fühler hob und in dem unteren Teil des Endes eine irreguläre Öffnung mit verschwommenen Rändern bildete, die den gezackten Mechanismus mit dem Fühler, der dort umherzuckte und sich eingrub, aufnahm. Lindsay sprang zur Tafel, rutschte aber aus. Anstatt den Strom auszuschalten, kippte er den Hebel in die entgegengesetzte Richtung, dort, wo der rote Blitz mit der Beschriftung war: Überlastung – Lebensgefahr!
    Es donnerte. Eine Staubwolke hüllte den zitternden Kegel ein, von den Kabeln sprühten blaue Funken, auch aus dem Hauptschalter schossen mit lautem Zischen Funken, dann wurde alles still. Aber wer beschreibt mein Staunen und Grauen, als ich bemerkte, daß der Kegel weiterhin lebte und sich bewegte, daß er die beiden Kabel abgeschüttelt hatte wie zwei Strohbündel, und mit einer Berührung des schwarzen Endes des Fühlers auch die seinem mechanischen Herzen gegenüberliegende Öffnung schloß.
    Der Kegel schien zu überlegen. Die Szenerie war ungewöhnlich: die plötzlich abgestorbenen Maschinen, ohne Energie, die Menschen regungslos, wie in die Erde gestampft, mit weit aufgerissenen Augen, und da war dieser Kegel, dieser lustig anmutende Kegel, der umhertorkelte und sich bewegte und die Fühler drehte, als hätte er darüber nachgedacht, mit welcher Handlung er sein neuerlich freies Leben beginnen sollte. Mein Gehirn arbeitete fieberhaft. Was tun? Was tun? Ich bemerkte, daß in einer Ecke der Halle Gasgeschosse und ein Werfer standen. Jetzt war ich nicht mehr auf der Seite des Marsianers, o nein! Jetzt ging es ums Leben. Aber diese höllische tickende Bestie bewegte sich vorwärts, und wer wagte es, in die Reichweite der drei Meter langen Tentakel zu kommen? Wer streckt sich da nach vorn und, o Grauen – die Pyramide der Granaten zerfällt, verwandelt sich in eine vibrierende Staubsäule und verschwindet, als habe es sie nie gegeben. Noch waren die Staubspuren auf dem Boden sichtbar, auf dem sie gelegen hatten – die sich abzeichnenden Spuren der Kartuschen – das war alles. Und der knatternde Kegel schiebt sich über den Beton, zeichnet Kreise, nähert sich Gegenständen, nähert sich den Menschen. Sie ziehen sich zurück, der Rauch versperrt ihnen den Weg. Jetzt kommen sie zur Gruppe Frazer, Lindsay und Gedevani. Der Professor steht abseits, an der Leinwand.
    »Flüchtet!« höre ich eine Stimme schreien – die Beine streben wie von selbst nach oben, er steht zwischen ihnen und der Tür, aber nicht zwischen ihnen und dir. »Flüchte! Du kannst ihnen doch nicht helfen – flüchte!«
    Dann höre ich die ruhige Stimme des Professors: »Wir sind nicht irgendwelche x-beliebigen Gelehrten, sondern die irdische Delegation zur Verständigung mit dem Gast vom Mars. Muß ich es aussprechen, wie sich eine solche Delegation verhalten sollte?« Ich spüre die Röte im Gesicht. Ich stehe da und schaue – kraftlos.
    Der Kegel nähert sich den dreien. Lindsay steht da, preßt die Lippen zusammen, mit blutleerem Gesicht, mit glühenden Augen, angespannten Muskeln. Man könnte ihn mit einer Karyatide vergleichen, die eine riesige Last trägt.
    Auf einmal gellt ein Schrei durch den Saal. Es ist Gedevani. Der Fühler hat ihn berührt. Er schreit auf, der zweite Fühler nähert sich, und ich sehe den in der Luft hängenden Körper, die herumstrampelnden Füße, ein entsetzlicher Aufschrei – plötzliche Stille. Die Stille hallt in den Ohren wie ein Hammerschlag. Der Kegel zielt auf den Professor. Was ist mit Gedevani? Ach, der liegt an der Wand, flach wie ein Ballon, aus dem die Luft herausgelassen wurde. Der Kegel nähert sich dem Professor. Sie stehen einander jetzt gegenüber. Wie sonderbar blicken die Augen des alten Mannes. Wie er gewachsen scheint. Was passiert jetzt? Die Fühler hasten auf dem Boden umher, ich höre ihr rasselndes Klappern. Nun sind die Rollen vertauscht: die untersuchen wollten, stehen

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