Der Menschenjäger
Ihre Nasen waren aneinander. Nadomir kannte dieses seltsame Pärchen inzwischen.
Was ihn über alle Maßen entsetzte, waren die beiden anderen Gestalten hinter ihnen. Sie schienen direkt aus der Bordwand zu wachsen und waren seltsam durchschimmernd wie Flaschengeister. Mehr als zehn Fuß groß, erinnerten sie an Drachen, dann an Löwen, dann wieder an fürchterlich mißgestaltete Menschen. Bei jedem Hinsehen waren sie anders. Nur die beeindruckende Größe blieb – und daß sie nur aus gefärbtem Glas oder leuchtenden Nebeln zu bestehen schienen.
Weder Lankohr noch Heeva sahen sie, und doch waren die Klauenhände der Riesen auf ihre Häupter gelegt.
Unwillkürlich hatte der Troll zu strampeln begonnen.
Siebentag drückte ihn fester an sich. Nadomir schrie und bekam einen Arm frei, mit dem er auf die Erscheinungen deutete: .
»Sieh doch hin, du hirnloser Klotz! Die… die Aasen und…«
Siebentag knurrte etwas und tat ihm den Gefallen. Lankohr winkte herüber.
»Ich sehe nichts. Was soll mit Ihnen sein?«
»Die Riesen…!«
»Dir bekommt die Luft an Deck nicht«, versetzte der Kannibale. »Unten wird’s dir bald bessergehen.«
Das glaubte Nadomir nun gar nicht. Der schreckliche Gedanke peinigte ihn, daß die Phanus längst in der Gewalt von Geistern war, vielleicht gar von ihnen gelenkt wurde. Deshalb diese Ruhe, und deshalb…
Der Anblick, der sich dem Königstroll dann aber bot, als Siebentag mit ihm die Treppe hinunterstieg, war noch bestürzender. Er konnte es nicht fassen. Dort standen sich Mythor und Fronja gegenüber, und es sah ganz danach aus, als wollten sie übereinander herfallen.
2.
Auch Gerrek war wie erstarrt. Er wagte nicht mehr zu atmen. Was konnte er tun, um das Unglück zu verhindern? Was war in Mythor und Fronja gefahren, daß sie sich wie Feinde gebärdeten und nicht wie Liebende!
Von Robbins Kopf war inzwischen gar nichts mehr zu sehen. Er hatte alle seine Gliedmaßen darum geschlungen.
Mythors Hand zuckte. Gerrek wollte hier heraus, aber er konnte es nicht. Er kniff die Augen zusammen, um nicht mitansehen zu müssen, wie sie sich aufeinander stürzten.
Da hörte er das Knarren der Angeln, als die schwere Platte über der Treppe gehoben wurde, gleich darauf Schritte.
»Auseinander!« Das war Siebentags Stimme! »Geht auseinander und seht, was ich euch bringe!«
Gerrek wagte einen Blick. Der Kannibale übersprang die letzten Stufen und landete mitten zwischen den Streitlüsternen. Nadomir fiel zu Boden, als Siebentags Rechte Mythor von Fronja fortstieß. So schnell, daß die Augen kaum folgen konnten, entwand der Menschenfresser Fronja das Messer.
»Was mischst du dich ein!« fuhr sie ihn an. »Diese Sache betrifft nur Mythor und mich!«
Der Gorganer hatte seine Überraschung schnell überwunden, legte die Hand auf Siebentags Schulter und riß ihn zu sich herum. Mythors Faust war schon in der Luft, als er den Kristall sah.
Siebentag hielt ihn ihm entgegen. Sein Gesicht war ohne jeden Ausdruck, als er sagte:
»Du suchst nach der Macht des DRAGOMAE. Du willst Caerylls Karte lesen. Mit diesem dritten Teilstück kannst du es nun.«
Ungläubig starrte der Sohn des Kometen auf den blitzenden Stein. Er griff zögernd danach.
»Woher hast du ihn?« fragte er leise.
»Von mir!« meldete sich Nadomir aufgeregt zu Wort. »Gestohlen hat er ihn mir. Aber ich wollte ihn dir ohnehin geben. Ich konnte ihn auf meinem Irrweg durch die Schattenzone erobern.«
Niemand achtete in diesen Augenblicken auf Fronja, deren Schultern herabsanken. Sie schloß kurz die Augen, atmete tief durch, bückte sich nach dem Messer und steckte es unter ihre Kleidung zurück.
»Bitte«, flüsterte sie. »Tue es nicht, Mythor. Zwei Steine des DRAGOMAE sind bereits eine schreckliche Macht. Drei aber werden dich verbrennen, ein hilfloses Geschöpf aus dir machen, das sich nicht einmal an seinen Namen erinnern kann.«
Er zog überrascht eine Braue in die Höhe, starrte sie an und sah nur noch Angst und Besorgnis in ihrem Blick.
»Ich habe schon einmal das komplette DRAGOMAE gebraucht, ohne Schaden zu nehmen«, sagte er.
»Du willst wissen, wo wir uns befinden und wie wir ohne einen zu zauderischen Pfader zur Dämonenleiter gelangen«, mischte sich da abermals Siebentag ein. »Gib mir die Karte und die Kristalle. Ich werde sie lesen und euch sagen, was ihr wissen müßt.«
»Du?« fragte Fronja entgeistert. »Ausgerechnet du willst das für ihn tun? Warum?«
Siebentag antwortete nicht darauf. Er streckte die
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