Der Menschenjäger
warteten bange auf das Kreischen und Brüllen der Schreckensgestalten, die in der schweren Luft so gut wie auf den Inseln aus festem Gestein zu Hause waren. Mythors Hand schloß sich um den Knauf des Gläsernen Schwertes. Alle seine Muskeln waren angespannt. Selbst Gerrek vergaß sein Jammern.
Die Phanus kam zur Ruhe. Weiter ging die Fahrt ins Unbekannte.
»Wir sind ohne die Weltkarte und ihre Weisungen blind«, sagte Mythor. Wieder hockte er sich hin und ergriff die Kristalle. Fronja nahm eine drohende Haltung ein, als er sich anschickte, sie auf das Pergament zu legen.
»Ich dulde es nicht!« schrie sie.
Mythor sah nicht zu ihr auf. Er fühlte die Kraft der Steine in seinen Händen und suchte nach einem Ansatzpunkt. Dabei hatte er fast das Gefühl, sie würden ihn lenken, sich seines Geistes bemächtigen und ihm zuraunen, wohin er sie zu setzen hatte.
Beinahe berührten sie schon die Karte, als diese von Fronja jäh fortgezogen wurde. Die Tochter des Kometen sprang zurück und hielt sie hinter sich. Ihre Augen schienen zu sagen: Komm her, wenn du sie haben willst! Doch dann kämpfe darum!
Und in diesem Moment war er bereit, es zu tun, sich gegen den Menschen zu wenden, der ein Teil von ihm war – und vielleicht gar noch mehr als das.
Die Luft im Innern der Phanus schien zu gefrieren. Gerreks Augen weiteten sich, als könnte er nicht fassen, wessen er da Zeuge wurde.
Mythor ging auf Fronja zu und streckte fordernd die Hand aus. Sie schüttelte heftig den Kopf.
»Kämpfe darum, Mythor«, flüsterte sie. »Entscheide nun, was dir wichtiger ist – der Besitz der Karte und das Verderben durch magische Kraft oder mein Wunsch, daß du die Hände von Dingen läßt, an die zu rühren dir nicht gegeben ist. Was fühlst du jetzt, Mythor? Wirkt der Liebeszauber nicht mehr SO stark wie bisher?«
»Gib sie mir!« befahl er.
Wieder lachte sie. Ihre Rechte zuckte zurück. Dann blitzte im fahlen Schein des Öllichts ein Messer darin.
»Kämpfe um sie – oder um mich!«
*
Die Phanus schob sich durch die Staub- und Luftmassen wie ein Pflug durch schwere Erde. Zu beiden Seiten, vor, hinter, über und unter ihr zeichneten bläuliche Blitze ein Bild der in ewiger Bewegung befindlichen Umgebung. Die Schattenzone trieb als finsteres Nebelband von Westen nach Osten um die Welt. Die Vorstellungskraft eines Menschen reichte nicht aus, jemals zu begreifen, was da alles in und mit ihr gewirbelt wurde, welche Vielzahl von Mischwesen, Dämonen und Geschöpfen dort lebten, die sich nicht einordnen ließen. Alles war Veränderung, alles war möglich.
Und alles war tödlich. Ein einziger Augenblick der Unaufmerksamkeit konnte genügen, um zerrieben zu werden zwischen den entfesselten oder noch schlummernden Gewalten des Bösen.
Der Königstroll aus den Götterbergen Gorgans saß auf einem feuchten Vorsprung im Heck des Hausboots, in dem einstmals die Weisen Wanderer über die Welt gezogen waren, um von der bevorstehenden Rückkehr des Kometen zu künden.
Nadomir dachte unter anderem auch daran, als er, die Arme über die Knie gelegt, entweder stumpf vor sich hin starrte oder den Amazonen dabei zusah, wie sie den Hecksteuerfächer nach Burras Anweisungen falteten oder spreizten und drehten.
Nach dem Wiedersehen hatte er kaum Gelegenheit dazu gehabt, sich lange mit Mythor zu unterhalten. Dennoch wußte er bereits, daß eines der Wesen, die die Freunde in einem Haryien-Stock gefunden hatten, noch am Leben gewesen war und Mythor vor einem Fremden mit Namen Cryton warnte, der sich angeblich aufgemacht habe, um ihn zu suchen und zu prüfen.
Der Alte hatte Phanus geheißen, und nur diese wenigen Worte hatte er noch hervorstoßen können, bevor auch ihn als den letzten der Weisen Wanderer sein Schicksal ereilte. Das Hausboot, eines von ehemals acht, war nach ihm benannt worden.
Nadomir erhob sich und begann unruhig auf und ab zu gehen. Manche Amazone warf ihm seltsame Blicke zu. Diese Schwertweiber brauchten offenbar Zeit, sich an den Anblick des nur drei Fuß großen, in seinem dichten Pelz nahezu kugelrunden Trolls mit der gewaltigen Haarmähne und dem darin liegenden, winzigen Gesicht zu gewöhnen.
Eine schreckliche Unruhe war in ihm, und sie wurde von Herzschlag zu Herzschlag stärker. Seine Hand fuhr in den Muff des Kugelmantels und umschloß das, was er dort – unter vielen anderen Dingen – als seinen vielleicht wertvollsten Schatz aufbewahrte.
Er sollte ihm Kraft geben, doch das Gegenteil war der Fall. Plötzlich war in
Weitere Kostenlose Bücher