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Der Menschenraeuber

Der Menschenraeuber

Titel: Der Menschenraeuber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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Papa«, begann Sofia, »Jonathan und ich, wir duzen uns mittlerweile, und ich finde, ihr solltet es auch tun.«
    »Fabelhafte Idee!« Amanda ging auf Jonathan zu, umarmte ihn, drückte ihm zwei dicke Küsse aus beide Wangen und sagte: »Ich bin Amanda. Darauf trinken wir einen!«
    Riccardo nahm sich ein gefülltes Glas und prostete Jonathan zu. »Salute!«, sagte er. Mehr nicht.
    Jonathan erwiderte das »Salute«. »Ich bin froh, hier bei euch sein zu können«, sagte er lächelnd, »danke für eure Gastfreundschaft!«
    Riccardo nickte nur und spürte, dass ihm eine eisige Kälte den Rücken hochzog. Er hatte immer Angst, wenn er irgendetwas nicht verstand. Jonathan hatte eine Plastiktüte dabei, das hatte er sofort registriert, aber weiter nichts. Nichts, das aussah wie ein verhülltes großes Bild.
    Amanda reichten die Feierlichkeiten nun, sie stand auf, kramte aus einer Schublade zwischen zerlesenen Kochbüchern, herumfliegenden Rezepten, noch nie benutzten Grillspießen, uralten Gebrauchsanweisungen und zerrissenen Handtüchern eine Schürze heraus, band sie sich um, klatschte kurz in die Hände und holte mit Schwung ein Blech mit verschiedenen knusprig gebratenen Fleischstücken aus dem Ofen.
    »Allora«, grunzte sie zufrieden, »das hätten wir. Dann können wir anfangen.«
    Sie schob das Blech zurück in den Ofen, drehte die Temperatur runter und holte die Vorspeise aus dem Kühlschrank.
    In den gut sechs Wochen, in denen Jonathan jetzt in der Toskana bei den Valentinis war, hatte er sich daran gewöhnt, in der Küche der Valentinis zu essen. Er unterdrückte den Ekel und überlegte sich dafür umso genauer, was man aus dieser Küche machen könnte. Die Valentinis besaßen hier auf diesem Berg, von dem aus man über die Hügel der Toskana bis nach Siena sehen konnte, einen wahren Schatz. Aber sie waren sich dessen nicht bewusst. Es gab kaum einen Ort, der einzigartiger war als dieser, mit diesem Pfund konnte man wuchern. Natürlich nicht mit den beiden Ferienwohnungen, so wie sie ausgestattet waren. Die Gäste, die man hierherlockte, kamen in der Regel nicht mehr wieder, denn ernsthaft konnte man diese Wohnungen niemandem anbieten; sie waren eine Frechheit und keinesfalls die fünfhundert Euro wert, die die Valentinis dafür verlangten.
    Während er aß und Amanda aus ihrer Jugend erzählte, überlegte Jonathan, ob die Dreihundertfünfzigtausend wohl reichten, das alles hier zu einer ersten Adresse zu machen und in ein lukratives Familienunternehmen zu verwandeln, das den Valentinis dauerhaft ein Auskommen sichern könnte.
    War er zu schnell und unüberlegt auf Janas Handel eingegangen? Nein. Die Fünfhunderttausend hätte sie niemals akzeptiert, und außerdem konnte er es jetzt nicht mehr rückgängig machen, ein nachträgliches Aufsatteln war unmöglich.
    Es musste auch so gehen. Dreihundertfünfzigtausend mussten für La Passerella reichen. Es gab viel zu tun und zu ändern. Und nicht alles hatte mit Geld oder mit viel Geld zu tun.
    Nach dem Essen kochte Sofia vier Espressi, und Amanda öffnete bereits die vierte Flasche Wein, von denen sie bestimmt zwei allein getrunken hatte. Dazu goss sie sich den obligatorischen Sambuca ein und begann, ein Weihnachtslied zu singen:
»Di notte a mezzanotte è nato un bel Bambino,
di notte a mezzanotte è nato Gèsu …,
sul fieno e sulla paglia, e niente di più,
sul fieno e sulla paglia è nato Gèsu.«
Jonathan überlegte gerade, wie und wann er am besten seine kleinen Geschenke überreichen könnte, bevor Amanda vollständig betrunken und der Weihnachtsabend für sie beendet war, da sagte Sofia, als könne sie Gedanken lesen: »Übrigens, Jonathan, eine Bescherung gibt es bei uns am Heiligabend nicht. Wir haben ja keine Kinder im Haus und schenken uns eigentlich kaum etwas, wenn überhaupt, dann nur eine winzige Kleinigkeit, für eine richtige Weihnachtsbescherung hatten wir nie Geld.«
    Natürlich, dachte Jonathan, ich hätte mich ja auch mal erkundigen können, wie das bei den Valentinis so läuft. Wenn er ihnen jetzt etwas schenkte, brächte er sie in Verlegenheit, und er kam sich mit seiner Plastiktüte, die am Tischbein lehnte, ungeheuer dämlich vor.
    Riccardo stand auf und schaltete den Fernseher an. Zwei schrille Blondinen in glitzernden knappen Minikleidern plärrten etwas von einem Zauberkünstler, der gleich auftreten würde und imstande sei, drei Elefanten verschwinden zu lassen, was Jonathan interessant fand, aber Riccardo schaltete schon um, bis er auf

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