Der Menschenraeuber
war, begann sie zu zittern.
Die gefährliche Stelle kam schneller, als Jonathan erwartet hatte. Im letzten Moment konnte er auf der Kuppe anhalten, bevor es unweigerlich bergab ging.
»Steig aus!«, befahl er. »Dieses Stück fahre ich allein.«
»Nein«, antwortete sie und massierte ihre Finger in den Handschuhen.
»Sofia, pass auf.« Er bemühte sich, ganz ruhig zu klingen, dabei hatte er Angst, dass er sie gewaltsam aus dem Auto zerren musste. »Hier geht es jetzt steil bergab.«
»Ich kenne die Stelle.«
»Es kann sein, dass ich den Wagen nicht um die Kurve kriege, und dann stürzt er in die Schlucht. Ich kann im letzten Moment rausspringen, du nicht. Du siehst ja nicht, wann es nötig ist. Und wenn ich es nicht schaffe, bist du wenigstens nicht mit im Wagen und kannst Hilfe holen.«
Ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Ich habe Angst um dich.«
»Das brauchst du nicht. Ich passe auf. Mir wird nichts geschehen.«
»Warum lassen wir nicht den Wagen hier stehen und gehen zu Fuß nach La Passerella?«
»Sofia!« Er verstand nicht, wie sie so etwas auch nur denken konnte. »Wir haben beide keine Schuhe an, mit denen wir durch den Schnee stapfen könnten, und es ist noch weit! Wir haben auch keine Taschenlampe im Auto.«
»Ich finde den Weg! Mir ist es egal, ob es dunkel ist oder schneit.«
»Okay.« Das hatte er vergessen. »Wenn der Schnee liegen bleibt, können wir den Wagen morgen früh nicht einfach holen. Und vielleicht auch noch nächste und übernächste Woche nicht. Nein, es hilft nichts: Wir müssen es wagen und versuchen, mit dem Auto nach Hause zu kommen.«
Sofia diskutierte nicht mehr und stieg einfach aus. Augenblicklich wurde ihr kalt. Eiskalt. Ihre Füße fühlten sich an, als stünde sie barfuß im Schnee.
Jonathan ließ den Wagen rollen, der mehr an Fahrt gewann, als er gedacht hatte. Panik stieg in ihm auf. Er versuchte zu bremsen, aber der Wagen rutschte weiter. Kurz vor der Schlucht riss er das Steuer herum, der Wagen stellte sich quer und rutschte jetzt seitwärts auf den Abhang zu. Die Fahrerseite war dem Abgrund zugewandt, daher hatte er keine Chance mehr, aus dem Wagen zu springen.
Die Angst überlagerte jeden Gedanken. Er schloss die Augen und hörte es Bruchteile von Sekunden später krachen. Er ließ das Steuerrad los, flog auf den Beifahrersitz und brauchte lange, um zu begreifen, dass der Wagen stand und nicht in die Schlucht gestürzt war.
Er kroch aus dem Auto. Ihm war so heiß, dass er die Kälte nicht mehr spürte. Sofia stolperte und rutschte den Berg hinunter. Er stellte sich ihr in den Weg, fing sie auf und nahm sie in die Arme.
Sie schluchzte und klammerte sich an ihn.
»Es ist alles gut«, flüsterte er und drückte sie fest an sich, »nichts ist passiert, aber wir kommen mit dem Wagen nicht weiter. Ich trag dich nach oben.«
Er nahm sie auf den Arm, kämpfte sich Meter für Meter im Schnee bergauf, und seine Füße waren taub vor Kälte.
»Von jetzt an werde ich auf dich aufpassen«, flüsterte er ihr ins Ohr. »Niemand soll dir jemals ein Haar krümmen, das schwöre ich! Lass mich das tun, Sofia! So gibst du meinem Leben wieder einen Sinn.«
»Ja«, sagte sie, und es klang wie ein Seufzer, »ja.«
Es war kurz vor Mitternacht, als Jonathan mit Sofia La Passerella endlich erreichte. Amanda war außer sich. Ihre Haare waren zerwühlt und ihre Augen verweint und blutunterlaufen. In der Hand hatte sie ein Wasserglas mit Sambuca, das sie so fest umklammert hielt, als wolle sie es ausdrücken wie eine reife Zitrone.
»Was bildet ihr euch ein?«, schluchzte sie. »Draußen geht die Welt unter, und ihr seid nicht da!«
»Amanda hat sich Sorgen gemacht«, murmelte Riccardo überflüssigerweise und sah Jonathan wütend an. Er hatte überhaupt kein Verständnis dafür, dass er bei diesem Wetter mit seiner Tochter durch die Gegend fuhr.
»Wir waren in Siena, Mama. Als es anfing zu schneien, haben wir uns auf den Rückweg gemacht, aber wir kamen einfach nicht schneller voran.«
»Paaahh!« Amanda brach erneut in Tränen aus.
»Es tut mir furchtbar leid, aber als wir losfuhren, konnte kein Mensch ahnen, dass es so heftig anfangen würde zu schneien.« Jonathan hoffte, dass nun die Diskussion beendet sein würde, schließlich waren Sofia und er keine sechzehn mehr. Er wollte jetzt nur noch einen heißen Tee trinken, vielleicht noch einmal kurz duschen und dann schlafen. Einfach nur schlafen.
Riccardo stand auf und verließ wortlos die Küche. Seine Tochter
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