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Der Menschenraeuber

Der Menschenraeuber

Titel: Der Menschenraeuber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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Jana hatte das Laub geharkt, die Hecke gestutzt und die Gartenmöbel in den Schuppen geräumt. Es war alles in Ordnung. Das Garagentor war geschlossen, und er müsste es jetzt nur mit der Fernbedienung öffnen, in den Wagen steigen, zum Einkaufen fahren, und alles wäre wie früher. Ein paar Telefonate, und er könnte sogar wieder anfangen zu arbeiten. Und Jana würde ihm verzeihen. Da war er sich ganz sicher.
    Aber dann kam die Erinnerung an Italien. Wie versteinert hatte Sofia vor der Tür gestanden. »Kommst du auch wirklich wieder?«, hatte sie ihn ein paarmal gefragt. Er hatte es immer wieder bestätigt, geschworen, hatte sie geküsst und umarmt, aber gespürt, dass sie ihm nicht glaubte. In ihren Augen hatte Amanda mit ihrem Gezeter und ihrer Forderung, zu heiraten, alles zerstört. Amanda zerstörte immer alles.
    Sofia hatte nicht geweint und nicht gewunken zum Abschied, sie stand wie zu einer Salzsäule erstarrt, als wolle sie dort stehen bleiben, bis er in einigen Tagen vielleicht doch wiederkam.
    Er hatte Sehnsucht nach Sofia, das wurde ihm jetzt ganz bewusst.
    In diesem Moment öffnete Jana die Haustür.
    »Komm rein«, meinte sie knapp, »oder wie lange willst du noch da draußen stehen?«
    Jonathan ging die Stufen zum Haus hinauf und küsste Jana auf die Wange.
    »Hallo.«
    »Wie war der Flug?«
    »Einigermaßen. Ein bisschen wacklig, aber ansonsten okay.«
    Sie gingen ins Haus.
    Auch hier hatte sich nichts verändert, Jonathan hatte allerdings das Gefühl, nicht fünf Monate, sondern Jahre weggewesen zu sein.
    »Ich habe dir das Gästezimmer zurechtgemacht«, sagte Jana, »du kannst ja schon mal deine Sachen raufbringen. Oder willst du lieber in Giselles Zimmer schlafen?«
    Jonathan schüttelte den Kopf. »Nein, nein. Ich bleibe im Gästezimmer. Es ist alles gut.«
    Er ging mit seinem kleinen Koffer, den er im Flugzeug als Handgepäck mitgeführt hatte, nach oben.
    Seine Winterjacke hing an der Garderobe. Jana überlegte nicht lange, zog seine Brieftasche aus der Innentasche und öffnete sie. Sie wollte wissen, was mit Jonathan los war, warum er es mit der Scheidung so eilig hatte, und hoffte irgendetwas über sein Leben in Italien zu erfahren.
    Sie sah das Bild sofort und war zunächst nicht sonderlich überrascht, dass er ein Foto von Giselle in seiner Brieftasche hatte, aber irgendetwas irritierte sie. Giselle war jünger gewesen, als sie gestorben war. Jana kannte das Foto nicht und sah genauer hin. Und erst jetzt, auf den zweiten Blick, wurde ihr klar, dass es nicht Giselle war, sondern das Foto einer fremden Frau, die so aussah, wie Giselle heute wahrscheinlich ausgesehen hätte.
    Jana begann zu zittern, das Foto fiel ihr beinah aus der Hand, als sie es umdrehte, um zu sehen, ob auf der Rückseite etwas geschrieben war. Aber da stand nichts.
    Schnell schob sie das Foto zurück und steckte die Brieftasche wieder in die Jacke.
    Eine Stunde später saßen sie sich im Wohnzimmer gegenüber. Jana auf der Couch, auf der sie sich abends unzählige Male aneinandergekuschelt hatten, Jonathan im Sessel. Es war nicht zu vermeiden, dass ihre Blicke sich trafen, und beide fühlten sich unbehaglich dabei.
    »So weit ist es also mit uns gekommen«, begann Jana, »es ist der Vorabend unserer Scheidung, und wenn ich ganz ehrlich bin, Jonathan, dann bricht es mir fast das Herz, dass unser gemeinsames Leben nun wirklich vorbei sein soll.«
    »Das wusste ich nicht«, sagte er leise, »ich dachte, du bist froh, mich los zu sein.«
    »Das dachte ich nach jedem Streit, aber in den letzten Monaten hab ich dich auch vermisst. Darüber habe ich mich selbst gewundert.«
    »Am Telefon klangst du immer sehr kühl, ja beinah kalt. Du hast wirklich immer nur das Nötigste gesagt, und man musste ständig Angst haben, dass du den Hörer aufknallst.«
    »Ich weiß. Aber du kennst mich doch. Ich konnte noch nie telefonieren. Ganz egal, was man sagt, es klingt alles irgendwie falsch. Ich wollte immer sagen: Bitte komm zurück, ich liebe und ich brauche dich, aber ich hab es nicht geschafft. Und vor lauter Frust hab ich dich ziemlich schroff abgefertigt. Außerdem war ich wütend, dass du einfach so abgehauen bist. Ohne ein Wort, irgendwohin. Das ist keine Art, finde ich.«
    »So wie wir in den letzten Jahren miteinander umgegangen sind, war es genau die richtige Art.«
    »So wie du mit mir umgegangen bist. Nicht ich mit dir!«
    »Meinetwegen. Dann eben ich mit dir.« Jonathan hatte keine Lust, sich wieder mit ihr über die leidige

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