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Der Menschenraeuber

Der Menschenraeuber

Titel: Der Menschenraeuber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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»Ich glaube, es muss Jahre her sein! Und insofern kannst du wirklich nicht beurteilen, wie ich meine Messen gestalte.«
    »Ich war bei der Taufe des kleinen Filippo. Du erinnerst dich vielleicht, der Sohn von Michele und Anna Maria, und ich sag dir, ich bin dabei fast gestorben! Die anderthalb Stunden waren wie gefühlte fünf. Weißt du, wie das ist, wenn man es nicht mehr schafft, gegen den Schlaf anzukämpfen, weil man sich im wahrsten Sinne des Wortes tödlich langweilt? Furchtbar ist das, Don Lorenzo, und so hab ich die Taufe von Filippo nur als Tortur in Erinnerung.«
    O Gott, flehte Don Lorenzo, entferne diese grässliche Frau aus meinem Haus!
    »Das tut mir leid«, sagte er leise, faltete die Hände und lächelte.
    »Und deswegen bin ich hier. Damit so was nicht nochmal passiert.«
    »Was stellst du dir denn vor?«
    »Zum Beispiel eine Predigt, die was mit meiner Tochter und meinem Schwiegersohn zu tun hat. Sofia ist ein armes Mädchen, sie hat viel durchgemacht. Als sie neun war, bekam sie diese fürchterlichen Masern und wurde blind. Kannst du dir vorstellen, wie es ist, wenn man in ewiger Dunkelheit lebt und immer allein ist? Sie ist mittlerweile neunundzwanzig und hatte nie einen Freund. Aber jetzt hat ihr der Allmächtige einen lieben Mann geschickt. Das ist ein Wunder, Don Lorenzo, darüber könntest du reden. Und vielleicht unterhältst du dich vorher mal mit Sofia.«
    »Das ist eine gute Idee, Amanda«, erwiderte Don Lorenzo mit leicht spöttischem Unterton. Es war unglaublich: Diese dicke Frau behandelte ihn wie einen dummen Schuljungen.
    »Lass dir was einfallen. Vor allem für die Ohren. Es geht mir da hauptsächlich um meine blinde Tochter. Also keine schönen Gewänder, sondern wundervolle Klänge.«
    »Verstehe.« Oh Herr, warum prüfst du mich so hart?, betete er.
    »Wir brauchen eine Sängerin, nein, besser einen Chor, der das Halleluja schmettert! Und irgendjemand sollte in die Orgel greifen, dass es nur so kracht. Wenn Riccardo Sofia in die Kirche führt, bitte den Hochzeitsmarsch von Haydn.«
    »Der ist von Felix Mendelssohn Bartholdy.«
    »Mir doch egal! Du weißt, was ich meine!« Amanda wurde fast sauer. »Lass die Orgel spielen, dass die Wände wackeln! Ich will die Hochzeitsgäste weinen sehen. Schon vor der Trauung! Verstehst du mich?«
    Zum ersten Mal in seinem Leben hatte Don Lorenzo Lust, einem Menschen eine runterzuhauen.
    »Sicher. Ich werde darüber nachdenken.«
    »Gut.« Amanda stand auf. »Jetzt will ich dich nicht weiter beim Beten stören. Arrivederci, Don Lorenzo.«
    »Salve«, knurrte Don Lorenzo. »Und vielen Dank für deinen Besuch.«
    Amanda nickte zufrieden und ging. Don Lorenzo war davon überzeugt, dass ihm der Herr die kleine Dankeslüge verzeihen würde.
     
    »Pass auf, Riccardo«, sagte Amanda eines Abends, »ich rechne dir jetzt mal vor, was der ganze Spaß kostet. Setz dich und atme tief durch, damit du keinen Herzschlag kriegst.«
    Riccardo setzte sich. Er wollte das eigentlich alles gar nicht hören.
    »Silvia macht das Essen. Fünf Gänge. Hab ich mit ihr besprochen. Sie bringt drei Mädchen mit, die ihr helfen und bedienen. Dann das Zelt für sechzig Personen, die Tische und Stühle, Geschirr und Besteck für zwei Tage. Die Musikkapelle, der Pfarrer, schon allein das Brautkleid kostet siebenhundertfünfzig Euro, die Ringe, und für den späten Abend nochmal Gebäck, Kaffee oder Mitternachtssuppe. Dann das Feuerwerk. Die Hochzeitsreise schenken wir uns, weil Jonathan nicht will. Aber immerhin sind das summa summarum alles inklusive achttausend Euro.«
    »Amanda, was soll der Unfug, das Geld haben wir nicht!«
    »Natürlich nicht. Noch nicht. Aber ich habe schon mit Gennaro gesprochen. Wir kriegen das Geld. So machen das doch alle! Wer kein Geld hat, nimmt einen Kredit auf!«
    »Ich habe noch nie in meinem Leben Schulden gemacht!« In Riccardo krampfte sich etwas zusammen, und er fühlte sich vergewaltigt und entmündigt. Es war alles so unnötig, so sinnlos. Schulden zu machen für einen einzigen Tag, an den sich Amanda sicher schon am nächsten Morgen nicht mehr erinnern würde. Warum aßen sie nicht einfach etwas zusammen? Ruhig, gemütlich und ohne großen Aufwand. Zehn Leute maximal. Ein gemütlicher Abend mit gutem Wein, und das war’s. Aber nein! Amanda wollte eine große Feier, die sich kein Mensch leisten konnte und die sie in den Ruin stürzen würde. Seit zehn Jahren wünschte er sich eine eigene Ruspa, ein Kettenfahrzeug, mit dem er die Hänge

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