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Der Menschenraeuber

Der Menschenraeuber

Titel: Der Menschenraeuber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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Vögel im Nussbaum und in den Zypressen veranstalteten ab Sonnenaufgang ein lautstarkes Konzert.
    Engelbert hatte seinen linken Arm hinter dem Kopf angewinkelt, die Streckung in der Achsel tat ihm gut, er fühlte sich stark und gesund. Keinerlei Schmerzen in der Hüfte, vielleicht sollte er als Erstes ein Bad im Pool nehmen.
    »Hörst du die Vögel?«, fragte er Ingrid. »Unglaublich, was die in den Zypressen für ein Spektakel veranstalten!«
    »Bitte, Engelbert, ich schlafe noch«, gähnte Ingrid und drehte sich auf die Seite. Von hier aus konnte sie den Reisewecker erkennen. Halb sieben. Mein Gott, viel zu früh. Vor acht wollte sie eigentlich nicht aufstehen.
    Engelbert stand auf und ging zum Fenster. Mit den Fäusten stützte er sich auf das Fensterbrett und sah hinaus.
    »Herrlich«, murmelte er, »was für ein Tag!«
    In dieser Haltung sah er aus wie ein Gorilla, der relativ gelassen sein Gegenüber anstarrt.
    Was für ein breites Kreuz er hat, dachte Ingrid. Das war wahrscheinlich das Ergebnis der regelmäßigen Gartenarbeit und des Schwimmens immer dienstags und freitags um acht im öffentlichen Hallenbad. Zuerst war er sich uralt und dämlich dabei vorgekommen, zusammen mit vorwiegend älteren Damen seine morgendlichen Bahnen zu ziehen, aber dann hatte er gemerkt, wie gut ihm das tat. Seine Kondition wurde wesentlich besser, sein Blutdruck sank, und sein Kreislauf kam in Schwung. An den Tagen, an denen er morgens schwamm, war er wesentlich leistungsfähiger als an den übrigen.
    Es hatte keinen Zweck, noch länger im Bett herumzuliegen. Sie stand auf und schlüpfte in ihren Morgenmantel.
    »Ich mache uns einen Kaffee. Und dann gehe ich duschen.«
    Es war angenehm, barfuß über die kühlen Terrakottafliesen zu gehen. Sie schaltete die Espressomaschine an und verschwand im Bad.
    Engelbert trat auf die Terrasse und breitete die Arme aus. Keine zehn Pferde kriegen mich heute von diesem herrlichen Fleckchen Erde weg, schwor er sich. Ich fahre in keine Stadt, sehe mir nichts an und will auch nichts einkaufen. Ich bleibe einfach auf der Terrasse sitzen und genieße den Tag.
    »Es hilft nichts, ich muss runterfahren«, sagte Ingrid beim Frühstück, »wir brauchen Eier, Milch und Brot, und der Salat im Kühlschrank taugt auch nichts mehr. Ich bringe uns dann auch eine Kleinigkeit zum Mittagessen mit. Kein Problem, du musst nicht mitkommen. Bleib am Pool und mach Gymnastik.«
    »Ja, das ist gut«, murmelte Engelbert, »ich bleibe hier. Und bitte, bring mir eine deutsche Zeitung mit.«
    »Welche?«
    »Egal. Irgendeine.«
    Ingrid räumte das Frühstücksgeschirr in die Spülmaschine, stellte Milch, Margarine, Marmelade und Käseecken in den Kühlschrank, wischte kurz über Tisch und Arbeitsplatte und nahm ihre Handtasche.
    »Bis dann!« Sie hauchte Engelbert einen Kuss auf die Stirn und ging ums Haus herum zum Auto. Engelbert hörte noch den Motor, als sie startete, und freute sich auf zwei, drei ruhige Stunden.
     
    Um zehn nach neun rief Dr. Kerner an. Jonathan saß gerade mit Sofia beim Frühstück und trank bereits seinen vierten Kaffee. Appetit hatte er nicht.
    »Ist es immer noch dein Magen?«, fragte Sofia vorsichtig.
    »Ja, ich glaub schon.«
    »Dann solltest du Tee und keinen Kaffee trinken. Und vielleicht einen Zwieback essen.«
    Das Telefonklingeln ersparte Jonathan die Antwort.
    »Einen wunderschönen guten Morgen«, sagte Engelbert, »es tut mir ja furchtbar leid, Sie so früh schon zu stören, aber wir haben kein Wasser. Weder in der Küche noch im Bad, nirgends. Keinen Tropfen. Meine Frau hat heute Morgen noch problemlos geduscht, aber jetzt ist Tabula rasa. Niente.« Er lachte. »Meine Frau ist zum Einkaufen gefahren, ich wollte auch gerade duschen und bin ja froh, dass ich noch nicht eingeschäumt bin.«
    »Ich komme runter. Kein Problem. In zwei Minuten bin ich da.«
    »Furchtbar nett. Danke.« Engelbert legte auf.
    Jonathan stand auf. »Die haben Probleme mit dem Wasser, ich kümmer’ mich drum.«
    Sofia nickte und umfasste ihre Tasse, als wolle sie sich trotz der hochsommerlichen Temperaturen ihre Hände wärmen.
    Als er über die Wiese zur Casa Gioia lief, sprach sie wieder zu ihm.
    NA ALSO. DAS SCHICKSAL MEINT ES GUT MIT DIR.
    Er hörte den Song durch das zur Terrasse hin geöffnete Fenster bereits, bevor er die Breitseite des Hauses erreichte.
    »Time to say goodbye.«
    Ein diffuses Kribbeln zog durch seinen Körper, ihm wurde übel, und er musste stehen bleiben. Alles, was er sah, verschwamm

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