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Der Menschenraeuber

Der Menschenraeuber

Titel: Der Menschenraeuber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Thiesler
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eigentlich in Italien teurer als in Deutschland, ein Haus zu bauen?«, fragte Engelbert. Er spürte, dass ihm der Wein allmählich in den Kopf stieg, aber er fühlte sich ausgezeichnet und war bester Laune.
    Jonathan bebte innerlich. Ich will jetzt nicht über das Haus reden, hämmerten seine Gedanken, ich will über damals reden, über den Prozess, ich will wissen, warum du den Mörder meiner Tochter ungestraft davonkommen lassen hast. Ich will wissen, was du dir dabei gedacht hast, du Schwein!
    »Nein, teurer ist es nicht«, antwortete Jonathan, »ich würde eher sagen, vergleichbar. Aber es ist ungleich schwieriger. Das Problem sind die Baugenehmigungen. Sie sind mit einem unvorstellbaren bürokratischen Aufwand verbunden, dauern Jahre, und es wird immer schwieriger, überhaupt eine zu bekommen. Die Gesetze werden strenger, die Kontrollen härter – es ist eine Katastrophe.«
    »Seien Sie froh, jetzt haben Sie ja alles gebaut, es kann Sie also nicht mehr tangieren.«
    »Doch, schon. Ich würde Casa Gioia gern etwas vergrößern und am liebsten auch das Haupthaus noch verändern, Sofia und ich haben zu wenig Platz. Vor allem wenn wir Kinder kriegen sollten. Aber es ist hoffnungslos, wir bekommen keine Genehmigung.«
    Engelbert hatte durchaus registriert, dass Sofia zusammengezuckt war, als Jonathan von den noch ungeborenen Kindern gesprochen hatte, aber er schwieg und wendete erneut das Fleisch.
    »In Italien wird einfach mit zweierlei Maß gemessen. Wer prominent ist, kann aus einem einfachen Stall ein ganzes Dorf machen und aus einer winzigen Hütte ein Wellnesscenter oder ein Hotel mit vierhundert Betten. Beispiele gibt es hier zuhauf. Aber als Otto Normalverbraucher hast du keine Chance.«
    »Sie müssten also ziemlich was rüberwachsen lassen.« Engelbert grinste.
    »Ja, klar. Aber die Möglichkeiten habe ich nicht, denn dann könnte ich nicht mehr bauen. Oder aber man kennt den Bürgermeister oder den Chef der Baubehörde und hat mit ihm eine Leiche im Keller. Dann könnte es auch klappen.«
    »Logisch. Wem erzählen Sie das. Auch in Deutschland funktionieren die wirklich wichtigen Dinge nur mit Vitamin B. Denn ohne Beziehungen sind Sie nichts. Da schwimmen Sie in der Masse, aber Sie machen niemals Karriere. Also ich meine, richtig große Karriere. Wenn Sie wissen, was ich meine.«
    »Ja, ja, ich weiß.«
    In diesem Moment kam Ingrid zurück an den Tisch. Sie strahlte.
    »Das war Hella«, meinte Ingrid, »sie wollte sich nur mal melden, es ist alles in Ordnung, Tobias und Leonie sind gerade zu Besuch.«
    Tobias? Der Tobias, der …
    Jonathans Blut klopfte in den Schläfen, und sein Atem flatterte.
    »Henning und Hella sind unsere besten Freunde«, erklärte Engelbert.
    »Na, jedenfalls wollte mir Hella vor allem erzählen, dass Tobias einen großen Fall von Wirtschaftskriminalität übernehmen wird. Wahrscheinlich die Chance seines Lebens!«
    »Setz dich, Ingrid, und iss was, das Fleisch wird kalt!«, sagte Engelbert und wandte sich wieder an Jonathan.
    »Ich kann Ihnen nur sagen: Bauen Sie ein Netzwerk von einflussreichen Freunden auf – und Sie sind ein gemachter Mann. Das Beste ist, Sie haben in jeder Tasche ein anderes Parteibuch. Eine Hand wäscht die andere, und wenn Sie in der Scheiße stecken, gibt es immer einen guten Freund, der Sie wieder rauszieht. Ohne Freunde sind Sie ein armes Würstchen und werden vom erstbesten Hund, der vorbeikommt, gefressen.«
    »Da ist was dran«, meinte Jonathan. »Ich habe lange Eventmanagement in Berlin gemacht. Der Erfolg eines großen Projektes fängt bei der Tischordnung an.«
    »Genauso ist es.« Engelbert lachte. »Dann wissen Sie ja, wovon ich rede.«
    »Hundertprozentig.«
    »Als Richter hat man zwar eine gewisse Macht, aber auch nur in begrenztem Rahmen, verstehen Sie? Mein Freund Henning zum Beispiel, der, der gerade eben angerufen hat, ist ein begnadeter Ingenieur. Ich konnte ihm natürlich keinen Job bei Krupp verschaffen, aber bei anderen Sachen, da konnte ich ihm helfen. Es kommt eigentlich nur darauf an, dass man für jede Lebenskrise den passenden Freund hat, der irgendwas kann, was man selbst nicht kann. Am besten Sie haben in Ihrem Bekanntenkreis einen Arzt, einen Anwalt, einen Ingenieur, einen Automechaniker, einen Elektriker und so weiter. Sie wissen schon, was ich meine.«
    »Tja, meine Kontakte hier beziehen sich leider nur auf Landarbeiter, Handwerker und Postboten.« Die Konversation fiel Jonathan verdammt schwer.
    »Aber wie konnten Sie denn

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