Der Menschensammler - Dicte Svendsen ermittelt Kriminalroman
ist die Entwicklung eines grauen Stars, aber der kann operativ behandelt werden. Allerdings besteht lebenslang die Gefahr der Abstoßung, und es kann zu Rissen in der Hornhaut kommen.«
Er sah Lena an.
»Das alles zähle ich nur als ein Worst-case-Szenario auf. Ich bin mir ganz sicher, alles wird gutgehen.«
»Und die Sehkraft?«, fragte Janos. »Regeneriert die sich schnell wieder?«
Palle schüttelte den Kopf.
»Nicht zwingend. Die Fäden werden erst nach etwa fünfzehn Monaten gezogen, es kann sein, dass die Sehkraft sich erst danach wieder stabilisiert.«
Erneut sah er Lena an. »Es erfordert ein hohes Maß an Geduld, mit so einer Krankheit |309| zu leben. Aber wir können Ihnen helfen, wieder ein ganz normales Leben zu führen.«
Sie lächelte verhalten. In ihren Augen standen nach wie vor Tränen.
»Aber es nützt ja alles nichts, wenn es gar keine Hornhäute gibt.«
Das klang eher wie ein Befund als eine Frage. Palle Vejleborg legte einen Arm um ihre Schulter und führte sie zur Tür.
»Ich glaube nicht, dass Sie sich darüber so viele Gedanken machen sollten. Sie sollten sich darauf konzentrieren, schnell wieder gesund zu werden, wenn es so weit ist. Und das könnte schneller eintreten, als Sie erwarten. Wenn Sie einen Augenblick im Wartezimmer Platz nehmen würden, dann können Janos und ich kurz über die alten Zeiten plaudern.«
Er schloss die Tür hinter ihr und drehte sich zu Janos um.
»Das ist so eine Schweinerei. Die Hornhautbank in Århus hat bis vor drei bis vier Jahren relativ regelmäßig Hornhäute von Verstorbenen erhalten. Aber seit der Gesetzesänderung 2006 halbierte sich die Anzahl buchstäblich um die Hälfte, und jetzt gibt es nicht genug Organe, um den Bedarf zu decken.«
Er stellte sich ans Fenster, mit dem Rücken zu Janos und sah hinunter auf den Fjord. Die Aussicht war dieselbe wie aus dem Wartezimmer. Janos stellte sich neben ihn und folgte mit dem Blick ein paar Ruderern, die ihre Bahnen zogen.
»Die Hornhaut wird seit dieser Gesetzesänderung zu den Organen gerechnet? Das war mir nicht klar.«
Vejleborg nickte. Auch er verfolgte die Ruderer, die am Krankenhaus vorbeizogen.
»Als Hornhaut noch in die Kategorie ›menschliches Gewebe‹ fiel, waren die Pathologen berechtigt, die Hornhäute einfach bei der Obduktion zu entfernen. Jetzt benötigt man dafür entweder einen Organspendeausweis oder die Zustimmung der Angehörigen. Und aus irgendeinem Grund haben die Leute größte Hemmungen zu spenden, wenn es sich um die Augen handelt.«
|310| Janos konnte das verstehen.
»Augen sind etwas Besonderes.«
Palle Vejleborg zuckte mit den Schultern und drehte sich zu ihm um.
»So, ohne lange um den heißen Brei zu reden. Ich kann deiner Liebsten ein paar frische, gesunde Hornhäute besorgen.«
»Aber wie? Wenn die Hornhautbank nicht genügend zur Verfügung hat?«
Palle klopfte ihm gönnerhaft auf die Schulter. Janos empfand das als herablassend, war aber unfähig, sich dagegen zu wehren.
»Das lass mal meine Sorge sein. Ist besser so.«
»Und der Preis?«
Den kannten sie beide. Trotzdem sagte Palle Vejleborg etwas anderes, während er Janos, so wie Lena kurz zuvor, zur Tür begleitete.
»Darüber sprechen wir später.«
[ Menü ]
Kapitel 46
»Ich habe meinen Teil erfüllt. Jetzt bist du an der Reihe.«
Das klang selbstbewusster, als sie sich tatsächlich fühlte. Sie hatte sich auf das Treffen mit Peter Boutrup vorbereitet, war im Kopf jeden Satz durchgegangen, den sie sagen wollte, und hatte sich selbst ermahnt, ihren Prinzipien treu zu bleiben. Und dennoch zitterte sie.
»Ist nur fair!«, sagte er und sah dabei in die Luft, während neben ihm die Maschine sein Blut abpumpte, um es zu reinigen. »Aber du hast nur einen kleinen Schritt getan. Die endgültige Entscheidung, ob du mir eine Niere spendest, ist noch nicht gefallen, richtig?«
Dicte fühlte sich von seinem Blick an die Wand gepresst und musste kämpfen, um ihre Stimme kontrolliert klingen zu lassen.
|311| »Du hast alles hervorragend geplant und gibst dir auch sehr große Mühe, als zynisch durchzugehen. Aber ich kaufe es dir nicht wirklich ab.«
Seine Handbewegung drückte Gleichgültigkeit aus.
»Mir ist das vollkommen egal, was du kaufst oder nicht.«
»Und was ist, wenn ich dir gerne eine Niere spenden will, aber mir dafür die Liebe meines Sohnes wünsche? Oder anders formuliert: Was ist, wenn ich dir gerne mehr geben will als das, worum du mich bittest?«
Diese Frage überraschte sie
Weitere Kostenlose Bücher