Der Menschensammler - Dicte Svendsen ermittelt Kriminalroman
selbst, aber sie hatte sie ausgesprochen, bevor sie es sich anders überlegen konnte. Seine Augen sahen belustigt und fröhlich aus, aber seine Worte waren alles andere als freundlich:
»Man kann auch zu teuer kaufen! Willst du oder willst du nicht? Du musst nur mit einem einfachen Ja oder Nein antworten.«
Sie schüttelte den Kopf, nicht als Zeichen ihrer Ablehnung, sondern aus Verwunderung.
»Wie bist du nur so hart geworden? Wo ist der Mensch Peter Boutrup?«
»Du meinst den schreienden Säugling, den du damals weggegeben hast? Ist der nicht schon lange tot? Ich würde auf jeden Fall keine Zeit darauf verschwenden, nach ihm zu suchen.«
In diesem Augenblick zerbrach etwas in ihr. Das hatte keinen Sinn. Und es war zu spät, da hatte er leider recht.
»Ja oder Nein«, wiederholte er.
Sie rang darum, ihre Fassung wiederzugewinnen.
»Eins nach dem anderen. Die müssen mich doch erst als geeignet deklarieren.«
»Natürlich bist du geeignet. Du siehst doch gesund aus«, sagte er. »Aber die haben ihre Methoden, den Leuten eine Ausrede an die Hand zu geben. Sie werden dir anbieten, dass sie sich eine medizinische Indikation ausdenken, warum du nicht als Spender geeignet bist.«
Diesen Rettungsanker hatte sie die ganze Zeit als letzten Ausweg |312| im Hinterkopf gehabt, seit ihr die Stationsschwester dieses Angebot gemacht hatte. Aber jetzt war er ihr soeben entrissen worden, und sie fühlte sich nackt und verwundbar.
»Du bist ja sehr gut informiert. Du weißt doch gar nicht, worüber bei so einem Gespräch geredet wird?«
Er lachte. »Lass mich raten. Ihr habt euch bestimmt nicht über Inneneinrichtungen und Aktienkurse unterhalten.« Ungläubig starrte er sie an. »Hältst du mich eigentlich für einen Vollidioten? Ich bin schließlich dein Sohn. Das sollte dir doch was sagen.«
Tat es das? Doch bevor sie tiefer in diese Frage einsteigen konnte, fuhr er fort.
»Ich vermute, du wirst in letzter Sekunde einen Rückzieher machen. Du bist scharf darauf, den Stadion-Fall aufzuklären. Und ich werde nur noch deine Staubwolke sehen, wenn du dich danach vom Acker machst.« Er sah sie eindringlich an. »Oder liege ich da vollkommen falsch? Ist Blut etwa doch dicker als Wasser?«
Zum ersten Mal hörte sie den Hauch eines Zweifels. Sie wusste, dass sie diesen Moment ausnutzen musste, auch wenn es bedeutete, dass sie sich dabei entblößte. Die Erinnerung nahm sie mit zurück ins Krankenhaus, die Wehen zogen sie in Abständen in eine Hölle aus Schmerzen. Sie schloss die Augen, saß aber neben dem Sohn, den sie an jenem Tag zur Welt brachte. Woran sie sich am nachhaltigsten erinnerte, war eine unendliche Einsamkeit. Jene große und alles in sich verschlingende Einsamkeit eines Menschen, der das Ende eines Weges erreicht hatte.
Sie öffnete wieder die Augen. Die Frage stand weiterhin in seinem Blick.
»Ich bereue es sehr, dass ich mein Kind damals weggegeben habe«, sagte sie. »Ich war sechzehn und bin bei den Zeugen Jehovas aufgewachsen. Ich hatte keine Wahl, aber habe es trotzdem bereut. Das hat mich all die Jahre lang begleitet.«
Er runzelte die Stirn. Er wollte es nicht hören, aber er unterbrach sie auch nicht, deshalb fuhr sie fort. »Kann sein, dass dir |313| das alles egal ist, aber mir ist es nicht egal. Du bist gleichzeitig mein schrecklichster Alptraum und mein größter Traum, der endlich in Erfüllung geht. Du hast die Spielregeln für unseren Kontakt aufgestellt, also werde ich sie befolgen.«
Sie streckte eine Hand aus, mit der Handfläche nach oben.
»Aber du kannst die Spielregeln nicht einfach mitten im Spiel ändern. Und die Regeln bestimmen, dass du jetzt an der Reihe bist. Du willst weder eine Mutter noch ihre Liebe, und davon wirst du auch verschont bleiben. Du willst eine neue Niere. Bitte schön.«
Sie schnappte nach Luft. Die Wut hatte sich zurückgemeldet, und sie begrüßte sie freundlich. Sohn oder nicht, bis auf weiteres war er eine Bekanntschaft, auf die sie gerne hätte verzichten können. Aber er wollte sie als Geschäftsfrau, das sollte er haben.
»Gib mir einen Anhaltspunkt. Welche Gesetze sind verabschiedet worden und haben eine Bedeutung? Um was für ein Geschäft handelt es sich, in was war dein Zellennachbar verwickelt? Ich vermute, es hat etwas mit dem Tod zu tun, stimmt das? Mit Toten? Oder Sterbenden? Was mit Organen? Nieren?«
Sie spuckte das letzte Wort förmlich aus. Dann zog sie ein Stück Papier aus ihrer Tasche. »Diese Nachricht wurde mir ins Wohnzimmer
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