Der Menschensammler - Dicte Svendsen ermittelt Kriminalroman
Statussymbole. Dafür entdeckte er lauter kleine Objekte: farbige Gläser, Figürchen, Stövchen und Krimskrams. Er sah auch königliche Porzellanfiguren, vielleicht Erbstücke? Das Bücherregal, das bei ihm zu Hause in den ersten Stock verbannt war, nahm eine ganze Wandseite ein. Ein alter Fernseher stand auf einem Bord mittendrin. Die Wände schmückten Landschaftsmalereien und abstrakte Kunst, aber keine Kunstdrucke.
Er riss seinen Blick vom Fjord los und sah auf die Uhr. Gerade einmal fünf Minuten waren vergangen. Das Bedürfnis, sie dort wieder rauszuholen und mit ihr nach Hause zu fahren, wuchs mit jeder Sekunde. Um dagegenzusteuern, kehrte er zu der Erinnerung an ihre erste gemeinsame Nacht zurück.
Sie war mit einem Tablett mit Kaffee und Keksen zurückgekommen. Während sie sich unterhielten, hatte sie seine Hand gestreichelt, und sie hatten sich zärtlich geküsst. Er konnte noch jetzt den Druck ihres Körpers an seinem spüren. Dabei war sie so klein und zerbrechlich und verschwand förmlich in seinen Armen. Er wurde übermannt von dem Gefühl, sie für immer beschützen zu wollen, als wäre sie eine der kleinen farbigen Glasfiguren im Regal.
Lange hatten sie eng umschlungen zusammengesessen, und er war seiner Intuition gefolgt, die ihr die Führung überließ. Er wäre für das Gegenteil auch viel zu nervös gewesen und hatte sich unentwegt gefragt, wie es weitergehen sollte. Würde sein Körper ihm gehorchen und das tun, was er wollte? Und würde |307| sie es auch wollen? Würde er sich genug unter Kontrolle haben, so wie ihm das bei Annelise immer gelungen war?
Es hatte sich aber dann gezeigt, dass diese Überlegungen keine Relevanz hatten, dass es nicht um physische Hochleistungen ging. Sie hatte ihn nämlich gefragt, ob er es abstoßend finden würde, wenn sie ihn schon am allerersten Abend bitten würde, sie in ihr Schlafzimmer zu begleiten. Die Art und Weise, wie sie ihn das gefragt hatte, war so lieblich und bezaubernd gewesen, dass er es mit nichts anderem in Zusammenhang bringen konnte als mit dem, was sie ohnehin schon miteinander verband. Und was er Liebe nennen musste, weil ihm kein passenderes Wort einfiel. Eine große und alles in sich verschlingende Liebe. In diesem Augenblick wusste er es, bis tief hinein in das Vakuum in seinem Inneren. Diesen Raum hatte es immer gegeben, aber jetzt sog er sich voll wie ein leerer Brunnen, der sich nach ausgiebigem Regen endlich wieder füllte.
Wieder starrte er aus dem Fenster und beobachtete einen Segler, der eine Wende fuhr. Er konnte nicht vorhersagen, was geschehen würde, weder mit ihrer Krankheit noch mit seiner Karriere, aber etwas würde geschehen, das stand fest. Und nichts würde so sein wie vorher.
Palle Vejleborg trat zwanzig lange Minuten später aus dem Sprechzimmer und rief ihn hinein.
Lena schwieg. Es war ein Schweigen, das ihn sofort nach ihrer Hand greifen ließ, und er war erleichtert, als sie sich nach einem Moment des Zögerns an ihn schmiegte.
»Setz dich doch.«
Sie nahmen Platz, und Palle Vejleborg übernahm das Gespräch:
»Lena leidet an einer erblich bedingten Augenkrankheit. Es gibt keinen Zweifel daran, dass sie neue Hornhäute benötigt. Ihre eigenen sind stark zerstört, weil sich die Zellen zersetzen und absterben, um die Wahrheit zu sagen.«
Er machte eine kurze Pause, als würde er den beiden Gelegenheit für eine Zwischenfrage geben, dann fuhr er fort.
|308| »Ich meine damit, wir werden eine tiefe lamelläre Keratoplastik vornehmen müssen, das bedeutet, dass wir ihre Hornhaut entfernen und ihr die Hornhaut eines Verstorbenen transplantieren werden.«
»Und genau dort liegt das Problem, vermute ich«, sagte Janos. Vejleborg nickte.
»Es herrscht ein akuter Mangel an Spendern, aber es gibt Möglichkeiten, dem auszuweichen. Also, lasst mich euch das kurz beschreiben, denn selbstverständlich bieten wir die OP hier in der Klinik an. Zuerst kommt man zu einer ambulanten Untersuchung. Danach erfolgt die Operation unter lokaler Betäubung. Der Patient verbleibt dann ein paar Tage in unserem Patientenhotel.«
Bevor Janos fragen konnte, hob Vejleborg bereits an, von den möglichen Komplikationen zu sprechen, die während und nach dem Eingriff eintreten könnten.
»Während der OP kann es zu Blutungen im Auge kommen, zu einem erhöhten Augeninnendruck oder zu einer Entzündung der Regenbogenhaut, aber diese Symptome verschwinden entweder von allein oder mit Hilfe von Augentropfen. Eine mögliche Spätfolge
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