Der Menschensammler - Dicte Svendsen ermittelt Kriminalroman
gemischt.
»Wisst ihr denn, was passiert ist?«, fragte Dicte zurück und hob erneut ihren magischen Presseausweis hoch, der vielleicht auf Polizeiabsperrungen keine Wirkung hatte, aber ausgezeichnet dafür verwendet werden konnte, betrunkene AGF-Fans zu beeindrucken.
»Carstens Frau und seine Tochter haben sie gefunden«, erzählte ein stattlicher junger Mann Mitte zwanzig, mit Bierbauch, hicksend und schwenkte dabei seine Bierdose hin und her.
»Wer ist Carsten?«
»Na, Carsten Jensen! Das ist der da hinten«, rief der junge Mann und zeigte mit dem Arm in die Menge. »Die haben verdammt noch mal seine Frau festgehalten. Die wird jetzt verhört!«
|12| »Was hat Carstens Frau denn gefunden?«, fragte Bo.
Rotgeränderte Augen versuchten unter großer Anstrengung, Bos Gesicht zu fixieren.
»Die Leiche natürlich, Mann, was denn sonst? Aufm Parkplatz.«
Es dauerte eine Weile, bis sie Carsten identifiziert hatten, der mit seiner Tochter, einem etwa elfjährigen Mädchen, bei einer Gruppe junger Fans stand, die durcheinanderredeten und wild gestikulierten. Dicte und Bo schoben sich durch die Menge. Sie hatten registriert, dass sie bisher die einzigen Vertreter der Presse waren, was die Sache eventuell etwas leichter machen könnte.
Sie stellten sich vor. Der Blick des Mädchens blieb neidisch an Bos Kamera hängen, die um seinen Hals baumelte.
»Mann, ist die cool. Ich will auch mal Fotografin werden«, sagte sie. »Aber ich muss mir die Kamera selbst kaufen«, fügte sie maulend hinzu.
»Du hast doch bestimmt ein Handy, oder?«, fragte Bo sie schmunzelnd. »Eins, mit dem man auch ganz gute Bilder machen kann. Damit kannst du doch erst einmal üben!«
Das Mädchen nickte. Bo lockte sie ein bisschen von der Gruppe weg, ließ sie seine Kamera halten und zeigte ihr auf dem Display ein paar Fotos vom Fußballspiel. Dicte verstand, was er vorhatte.
»Hast du dein Handy nicht auch vorhin auf dem Parkplatz benutzt? Damit du deinen Freunden später zeigen kannst, was ihr da entdeckt habt?«
Das Mädchen starrte sie an. Dann nickte sie, sah aber Bo dabei an. Bo hatte immer eine gute Wirkung auf Frauen.
»Wenn du Fotografin werden willst, musst du natürlich so viel wie möglich üben«, sagte er einschmeichelnd. »Hättest du nicht Lust, mir die Aufnahmen zu zeigen? Vielleicht kannst du dir so was für deine erste eigene Kamera dazuverdienen.«
Das Mädchen sah hinüber zu ihrem Vater, der in ein Gespräch vertieft war. Sie zögerte.
»Ich habe keine Fotos gemacht«, sagte sie schließlich. »Sondern |13| einen Film. Ich dachte, damit kann ich den Wettbewerb gewinnen.«
»Du hast der Polizei gar nichts von diesem Film erzählt?«, fragte Dicte.
Das Mädchen zuckte mit den Schultern.
»Die haben mich nicht gefragt. Die wollten nur mit meiner Mama sprechen. Wir sind früher rausgegangen. Weil das Spiel so schlecht war, und außerdem musste ich aufs Klo.«
Bo wühlte in seiner Hosentasche, aber er hatte kein Bargeld dabei und sah fragend zu Dicte. Sie fischte einen Zweihundertkronenschein aus ihrem Portemonnaie und betrachtete das Mädchen. Niemand nahm so ein junges Mädchen ernst, schon gar nicht, wenn dessen Mutter dabei war und für eine Aussage zur Verfügung stand.
»Okay, hier. Zeig mal, was du da hast.«
Das Mädchen klickte sich durchs Menu.
»Wir haben da so einen Wettbewerb in der Schule. Wir sollen in den Sommerferien einen Film mit unserem Handy machen. Der darf aber nur eine Minute lang sein.«
Endlich erschienen die Bilder auf dem Display. Die Stimme des Mädchens klang wie ein Voiceover bei einem Dokumentarfilm.
»Das war total gruselig. Sie lag da wie eine Gummipuppe und hatte keine Augen mehr.«
Eine frühere Generation von Teenagern hätte wahrscheinlich einen Schock erlitten und sich psychologisch behandeln lassen müssen, dachte Dicte. Aber nicht die jungen Menschen von heute. Die waren hartgesottener. Sie hatten schon so viel Blut und Gewalt gesehen, dass sie angesichts der grausamen Wirklichkeit kaum mit der Wimper zuckten.
Bo schirmte mit seiner Hand das Display ab, damit sie gegen das Sonnenlicht die Aufnahmen ungehindert sehen konnten. Es war eindeutig eine Leiche, und hier gab es keine mildernden Umstände. Eine junge Frau mit halblangen Haaren, die ihr auf die Schultern fielen. Sie trug Jeans und ein T-Shirt, dessen Aufschrift |14| »I love U« mit Pailletten geschrieben waren und über einem glitzernden Silberherzen prangten. Man hatte sie gegen das Auto gelehnt, und die
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