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Der Menschenspieler

Der Menschenspieler

Titel: Der Menschenspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Lavender
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verschwamm mit dem Straßennetz. Im Rahmen der Karte befand sich eine pixelige Scheibe, auf der in dunkler Schrift stand: HAMLET .
    Was sie suchten, befand sich am Südende. Sie folgte Kellers Finger das Straßennetz entlang, und einen fieberhaften Augenblick lang stellte sie sich vor, dort zu sein, in diesem Ort, genau diese Straßen entlangzugehen. Das Gitarrenkreischen des Raums hinter ihr riss sie aus ihren Gedanken, und sie sah, dass der Finger auf eine vorspringende Flussstraße zeigte, die am südlichen Stadtrand verlief. Sie hielt den Atem an.
    Olive Street.
    »Da hat Rutherford gewohnt«, sagte sie, gefangen im Rhythmus ihres Gesprächs. Jeder Hinweis, jede Verbindung schien jetzt so deutlich, so wesentlich. Ihr Herz pochte in ihrer Brust.
    »Genau. Deswegen hat Aldiss die Stadt am ersten Abend erwähnt, Alex. Das steht außer Frage. Er will uns etwas über Hamlet sagen.«
    Sie schwiegen beide, dachten darüber nach, was das bedeuten konnte.
    »Aber was sollen wir seiner Meinung nach in der Olive Street finden, das er nie gefunden hat?«
    Keller leerte sein Bier und schob die Flasche beiseite, nahm den Roman und betrachtete das Titelbild. Das schwarze Herz, die Frau, die vor ihrem Labyrinth steht. Anders als Alex’ früheres Urteil über das Buch war seines kühl. Misstrauisch.
    Schließlich sagte er: »Ich glaube, ich habe auch darauf die Antwort gefunden.«
    »Du bist heute aber gut drauf, Keller.«
    Er nahm ein Foto aus seiner Tasche.
    Er hielt es ihr hin, aber als sie danach griff, riss er es weg. Sie dachte, es wäre noch eines seiner Spielchen. Dachte, dass darauf ein Kuss folgen würde. Aber als sie ihn anschaute, sah sie, wie ernst es ihm war, und ihr eigenes Lächeln verflog.
    »Du darfst mich nicht fragen, woher ich dieses Bild habe«, sagte er.
    »Ich …«
    »Versprich es mir, Alex. Derjenige, der es mir gegeben hat, hat absolute Geheimhaltung verlangt. Er glaubt, wie auch ich, dass es im Abendkurs um etwas Größeres geht, als auf den ersten Blick sichtbar ist. Aber er will mir helfen, will uns helfen. Nur bitte frag nicht nach seinem Namen.«
    »Okay. Das verspreche ich.«
    Er reichte ihr das Foto über den Tisch. Es zeigte einen Mann, der vor einem kleinen Schindelhaus steht. Sie hatte ihn schon einmal gesehen, aber er sah anders aus. Deutlich anders. Älter, ja, aber irgendwie düsterer. Dunklere Augen. Finster. Ähnlich wie Richard Aldiss.
    Aber der Mann auf dem Foto war nicht Aldiss. Nicht einmal ansatzweise.
    »Was zum Teufel?«, sagte Alex mit erstickter Stimme.
    »Er ist es, Alex. Es gibt keinen Zweifel, dass er es ist. Sieh dir das Datum an.«
    Das tat sie. In der rechten unteren Ecke war ein Datumsstempel: 11.1.94.
    Der Mann war Charles Rutherford. Er war vor gerade mal vier Tagen fotografiert worden.

Alex
    Gegenwart
    21
    Lewis Prine war bereits zu spät dran für Michael Tanners Trauerfeier, als der Motor seines Saab anfing zu jaulen. Über Meilen ignorierte er das Geräusch und dachte stattdessen an kaltblütigen Mord. Wie der Tod eine Verbindungslinie von der Vergangenheit zur Gegenwart zog und die alten Wunden aufriss. An der Grenze von Burlington kühlten Tränen seine Wangen. Er öffnete das Fenster und ließ den Wind das bisschen Haar, das er noch hatte, zerzausen.
    Bald begann der Wagen zu vibrieren, und grauer Rauch legte sich auf die Windschutzscheibe. Er fuhr an irgendeiner Landstraße in Vermont an den Straßenrand und versuchte, Alex Shipley anzurufen. Aber hier draußen, mitten im Nirgendwo, gab es kein Netz, und inzwischen war er sowieso schon jenseits von Gut und Böse: Die Trauerfeier würde bald anfangen, und die Trauernden würden sich auf dem Hof von Jasper versammeln. (Lewis wusste durch seine Arbeit mit gewalttätigen, gestörten Männern, dass der Mörder höchstwahrscheinlich unter ihnen sein würde.)
    Vielleicht war es besser so. Als Psychologiestudent und gescheiterter Psychologe, der dann Leiter einer Anstalt für kriminelle Geisteskranke wurde, hatte er ohnehin nie richtig zu ihnen gehört.
    Es dauerte eine halbe Stunde, bis er einen vorbeifahrenden Wagen anhalten konnte, und weitere fünfundvierzig Minuten bis zu einem Ort namens Orwell, wo ein Mechaniker das Auto zusammenflickte und stoisch die Warnung hinzufügte: Das hält nicht lange . Schon bald war er wieder auf der Route 2. Als er sich endlich Jasper näherte, sah er die zwinkernden Dächer der Campusgebäude in der Entfernung. Lewis fragte sich, ob all das – seine Verspätung, seine Autopanne

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