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Der Menschenspieler

Der Menschenspieler

Titel: Der Menschenspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Lavender
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wert.«
    »Nein.« Ihre Stimme war ein leises Wispern. »Nicht jetzt.«
    Keller begann zu sprechen, zu protestieren, aber dann schwieg er. Sie kuschelte sich an seine Brust.
    »Wir haben etwas Großes entdeckt«, sagte sie. »Wir sind zu nah dran. Mit Charlie und Dr. Morrow in Die goldene Stille … wir können jetzt nicht aufhören. Der Abendkurs ist fast vorbei. Wir haben Fallows fast.«
    Er lehnte seinen Kopf zurück und schloss die Augen. Ein Auto fuhr leise draußen auf dem Iowa Highway vorbei; ein Lichtstrahl fiel an die Wand.
    »Morgen«, sagte er. »Wo fangen wir an?«
    Sie rutschte näher an ihn heran. Hier zu sein, allein mit ihm … unter anderen Umständen wäre es das pure Vergnügen gewesen. Aber jetzt, mit der Aufgabe, die vor ihnen lag – Alex war unsicher, ob das hier etwas Tiefergehendes war oder nur eine Begleiterscheinung des Abendkurses. Ob sie und Keller nicht durch das Schicksal, sondern durch Aldiss’ eigenwillige Launen zusammengebracht worden waren. Vielleicht war ihr Zusammenkommen wie alles andere nur ein weiterer Teil seines Plans.
    »Er war berühmt«, sagte Alex schließlich.
    Keller setzte sich auf. Sie spürte seinen Blick auf sich. »Nicht so schnell, Alex, ich bin noch etwas schwer von Begriff. Ich kann dir nicht folgen.«
    »Paul Fallows. Er muss doch das Berühmteste sein, das jemals aus dem kleinen alten Hamlet hervorgegangen ist.« Sie sah ihn an, seine dunkle Gestalt. »In jeder Kleinstadt in Amerika bleiben die Einheimischen auf dem Laufenden, was ihre verlorenen Söhne angeht.«
    »Und?«, sagte Keller. »Besuchen wir die Historische Gesellschaft von Hamlet?«
    »Nein, keineswegs.« Sie streckte sich hoch und küsste ihn. Der Schmerz des Aldiss-Traums verschwand schlussendlich hinter ihren Augen. »Wir lauschen der Gerüchteküche.«
    Am nächsten Tag, kurz nach dem Zölf-Uhr-Läuten, während eine kalte, gedämpfte Sonne endlich durch die Wolken brach, kehrten sie ins Zentrum von Hamlet zurück und fanden eine Bar namens Easy Living. Blauer Rauch hing unter der Decke. Billardkugeln klackerten hinter ihnen, und ab und zu hörte man Gelächter. Keller, hier ganz offensichtlich fehl am Platz, hielt allen argwöhnischen Blicken stand. Er nahm zwei Barhocker und trank eine Limo, die Arme auf der Theke.
    »Woher seid ihr?«, fragte jemand.
    Alex drehte sich um. Der Barmann war ein dürrer Kerl mit gelben Zähnen und einer verknitterten, fleckigen Schürze. Sie war an einsame Bars gewöhnt; immerhin hatte sie am meisten im Rebecca’s gelernt. »Jasper College«, sagte sie. »Vermont.«
    »Weit weg von zu Hause, Schätzchen.«
    »Es ist eine traurige Geschichte.«
    »Ich habe Zeit.« Der Mann lächelte schief. Auf der Theke lagen eine Packung Zigaretten und ein Feuerzeug, ein Werbegeschenk. Sie streckte sich danach und nahm eine heraus. Etwas, das sie ab und zu tat, wenn sie nervös war oder für eine Klausur lernte oder an Harvard dachte. Sie zündete sich eine Zigarette an und hielt sie, als wüsste sie, was sie tat. Auf geht’s.
    »Wir suchen jemanden«, sagte sie.
    »Ach ja?« Der Barmann beugte sich vor und stützte sich mit den Ellbogen auf der Theke ab. »Und wen?«
    »Paul Fallows.«
    Etwas im Blick des Mannes veränderte sich. »Den Schriftsteller.«
    »Genau. Kennen Sie ihn?«
    »Süße, niemand kennt ihn. Dieser Typ ist das Hirngespinst eines verwirrten Verstandes. Ein Geist.«
    Alex atmete zur Decke hin aus. »Sie müssen doch jemanden kennen, der uns etwas erzählen kann. Wir haben einen weiten Weg hinter uns, und es würde uns gar nicht gefallen, diese schöne Stadt mit leeren Händen zu verlassen.«
    Der Mann betrachtete sie. War er misstrauisch? Ahnte er, was sie tat? »Worum geht es?«, fragte er vorsichtig. »Ein Collegeprojekt oder so was?«
    »So könnte man es nennen.«
    Er zögerte, dann sagte er: »Eines kann ich euch wohl sagen.«
    Alex rutschte auf dem Hocker vor, ihr Herz pochte los. »Was denn?«
    »Es ist nicht viel, wie gesagt. Aber da wohnt jemand weit draußen an der Deacon Road, der mehr darüber weiß als sonstwer. Es ist ein älterer Mann, aber als ich ihn das letzte Mal gesehen habe, war er noch fit. Ein alter Professor, der behauptet, er wüsste, wer Fallows ist. Er kam früher öfter her, aber jetzt sieht man ihn kaum noch. Diese ganze Fallows-Sache – das ist doch Schnee von gestern. Redet kaum noch einer drüber. Wir haben 1994, und die Leute haben sich weiterentwickelt.«
    Alex zog noch einmal an ihrer Zigarette. Sie schien alles um sich

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