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Der Menschenspieler

Der Menschenspieler

Titel: Der Menschenspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Lavender
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herum zu vergessen, die Musik, Keller … »Dieser alte Mann«, sagte sie. »Wie heißt er?«
    Der Barmann lehnte sich vor. Seine Zunge schoss heraus, kroch langsam über gerissene Lippen. Sie roch seinen ekelhaften Atem. »Benjamin Locke«, sagte er.
    Sie fuhren hin. Über die flache Plane einer Landschaft und in noch mehr Eintönigkeit. Die Felder wurden weniger und dann am Rand der Stadt schließlich zu Dreck. Der Nachmittag legte sich wie eine Decke über den westlichen Himmel. Sie fuhren der Sonne entgegen, folgten den Anweisungen des Barmannes.
    »Da«, sagte Keller und zeigte mit dem Rand ihrer Serviettenkarte.
    Direkt vor ihnen war ein kleines Schindelhaus an der Kreuzung von Highway 281 und Deacon Road. Sie fuhren auf die Auffahrt, saßen da und schauten sich das einfache Haus mit den schwarzen Fensterläden an.
    Keller parkte den Wagen und stieg aus. Er betrat die Veranda, sah sich einmal nach ihr um, dann klopfte er an. Jemand öffnete die Tür, jemand, den sie nicht sehen konnte, und einen Augenblick später schlüpfte Keller hinein. Sie stellte ihn sich dort vor, niedergeschlagen und blutig auf dem Fußboden. Sie dachte an die zwei Mädchen, die zwei Studentinnen in Dumant, an ihre letzten Tage …
    Es klopfte ans Fenster. Alex zuckte zusammen.
    Sie öffnete das Fenster und starrte Keller an, blinzelte in die Mittagssonne.
    »Dr. Locke möchte mit uns sprechen«, sagte er. »Er hat auf uns gewartet, seit er von dem Abendkurs erfahren hat.«
    Benjamin Locke bot ihnen nichts an. Er saß den beiden Studenten gegenüber und sah sie durchdringend an, als überlegte er, ob er ihnen trauen könnte oder nicht.
    »Lydia Rutherford ist eine der weltgrößten Lügnerinnen«, sagte er schließlich. Er hatte die Stimme eines Akademikers, tief und schwer, aber affektiert in dem Versuch, die eigene Herkunft zu leugnen. Sein Gesicht war wettergegerbt, aber er war wie der berühmte Professor angezogen, der er in Dumant gewesen war. »Ich wusste es, als ich sie das erste Mal getroffen habe. Was sie getan hat, ist einfach, und doch ist es recht bemerkenswert: Sie hat das Geheimnis ihres Mannes über Jahre verborgen, ohne jemandem etwas zu verraten.«
    Alex starrte den Mann an. »Sein Geheimnis?«, sagte sie. »Ich befürchte, ich verstehe nicht ganz.«
    »Charles Rutherford ist Paul Fallows.«
    Alex rührte sich nicht, nickte nur leicht. Ihre Hände hatten angefangen zu zittern. Locke wusste nichts von Morrow, dachte sie. Wusste nicht so viel über die zeitliche Abfolge und die Texte wie sie. Und doch klang er so selbstsicher . So überzeugt. »Aber Richard Aldiss hat seine eigenen Theorien über Fallows’ Identität«, hörte sie Keller sagen.
    »Richard hatte schon immer viele Theorien «, sagte Locke. Das Zimmer wurde von einer einzigen Lampe erhellt, und auf einem Tisch neben dem Professor sah Alex Fotos, auf denen sie den Campus von Dumant wiedererkannte. An der Wand hing ein gerahmtes Foto aus dem LIFE Magazin mit der Überschrift: Weltbekannter Literaturprofessor macht mit Forschung zu zurückgezogen lebendem Autor von sich reden .
    »Sprechen Sie noch mit ihm?«
    »Nicht mehr seit den Morden«, sagte Locke. »Richard hat sich nach dem Sommer, in dem wir nach Iowa kamen, auf vielerlei Weise verändert. Als ich gehört habe, was in Dumant geschehen war … nun, ich muss zugeben, dass ich nicht überrascht war.«
    »Wie hat er sich verändert?«
    Locke suchte nach den richtigen Worten. »Richard«, sagte er schließlich, »war anders als meine anderen Studenten. Einerseits war er intelligenter, andererseits aber auch düsterer. Grüblerischer. Er war richtiggehend besessen von Fallows. Als wir in diesem Sommer gemeinsam hierherreisten, bekam ich immer mehr von dieser Seite mit. Und ich begann, mich vor ihm zu fürchten.«
    »Wie war er damals denn?«, fragte Keller. »Was für eine Art von Student war er?«
    »Richard war stets versessen darauf, Fallows zu jagen, aber ich hielt ihn zurück. Sie wissen von meinem Telefonanruf, nehme ich an.« Locke sah sie finster an. »Er war … gelinde gesagt, verstörend. Aber dann erschien Die goldene Stille im Januar 1975. Eine Ausgabe wurde mir anonym an die Universität geschickt. Natürlich glaubte Richard, dass es Fallows war, der sich meldete, und dieses Mal konnte ich ihm – uns – die Jagd nicht mehr verweigern. Als wir es nach Semesterende endlich bis nach Iowa geschafft hatten, war Charles Rutherford seit sechs Monaten tot.« Locke sah zur Seite, sein Blick hatte

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