Der menschliche Körper
was ihm ein leicht verstörtes Aussehen verleiht, und der Händedruck wirkt schlaff. Auch wenn der Neuankömmling einen höheren Dienstgrad hat, spricht Hauptmann Masiero so laut, dass ihm sein Kommentar deutlich zu Ohren kommen muss: «Und der da? Was zum Henker sollen wir denn mit dem?»
Die Räume der Marines sind alle belegt, daher wird das Büro des Psychologen provisorisch in einer Ecke der Kantine aufgeschlagen, bei den Automaten für warme Getränke und einem Elektrogenerator, der mit Unterbrechungen funktioniert und einen, wenn er läuft, zwingt, laut zu sprechen. Der Psychologe kann die Jungs von einer Stunde nach bis eine Stunde vor den Mahlzeiten empfangen. Zelt für Zelt verteilt er einen handgeschriebenen Zettel mit der Reihenfolge, die er festgelegt hat. Den Soldaten, die das Blatt sofort vor seinen Augen zerreißen, erklärt er unmissverständlich, dass das psychologische Gespräch nicht optional ist, sondern auf Weisung eines Vorgesetzten erfolgt.
Feldwebel René macht freiwillig den Anfang. Er will mit gutem Beispiel vorangehen, aber das ist es nicht nur. Er muss sich Luft machen, er fühlt sich von einem giftigen Gas erfüllt – es sitzt ihm im Kopf, im Magen, sogar unter den Fingernägeln hat es sich eingenistet. Nervengas. Die Gedanken, die ihn quälen, sind drei oder vier, von unterschiedlicher Natur. Er wollte bei einem amerikanischen Priester beichten, er ist ihm durch das Lager bis zum Eingang der Kapelle nachgelaufen, aber das Hindernis der fremden Sprache und eine praktische Überlegung – wäre das nicht eine weitere Sünde, bei einem protestantischen Priester zu beichten? – haben ihn zurückgehalten. Ein Psychologe wird ihn nicht von der Schuld reinwaschen, das steht fest, aber wird ihm doch wenigstens die Gelegenheit geben, sich etwas zu erleichtern. «Das kann ich Ihnen gleich sagen, dass ich nicht an diese Techniken glaube, Herr Korvettenkapitän», fängt er an, nachdem er dem Kapitänleutnant Finizio zum zweiten Mal die Hand geschüttelt hat.
«Machen Sie sich keine Sorgen, Feldwebel. Setzen Sie sich erst mal. Machen Sie es sich bequem.»
René setzt sich genau in die Mitte der Bank, den Rücken gerade und den Kopf stolz erhoben.
«Machen Sie es sich
bequem
, Feldwebel. Als ob Sie allein wären. Wenn Sie das Bedürfnis haben, können Sie sich auch ausstrecken. Sie können die Augen schließen, die Füße auf den Tisch legen, ganz wie es Ihnen beliebt. Verhalten Sie sich, wie es Ihnen spontan richtig erscheint.»
René hat keinerlei Absicht, sich auszustrecken oder die Augen zu schließen. Er rutscht auf der Bank etwas nach hinten, um seinen guten Willen zu zeigen, dann kehrt er in die vorherige Position zurück. Vor einem Vorgesetzten die Füße auf den Tisch legen, gar nicht auszudenken!
«Ich sitze bequem so.»
Finizio, der im Unterschied zu ihm in einem richtigen Sessel sitzt, lehnt sich darin zurück. «Sie sollen wissen, dass dies ein Raum der Freiheit ist, Feldwebel. Hier sind nur Sie und ich. Niemand sonst. Keine Videokameras, kein Mikrophon. Ich mache mir keine Notizen, weder jetzt noch später. Alles, was wir sagen, bleibt in diesem Raum. Daher möchte ich, dass Sie frei heraus sprechen, ohne Auslassungen oder Zensur.» Er legt die kleinen Hände zusammen, neigt den Kopf und schaut ihn eindringlich an. Genauer gesagt, René findet sich in der Mitte der divergierenden Sichtachsen des Doktors. Der Psychologe schweigt, viele Sekunden lang.
«Muss
ich
anfangen?», fragt der Feldwebel schließlich.
«Nur, wenn Sie das Bedürfnis danach verspüren.»
«In welchem Sinn?»
«In dem Sinn, dass, wenn Ihnen etwas einfällt, das Sie sagen möchten, Sie es sagen können. Aber Sie sind nicht verpflichtet zu sprechen.»
Was zum Teufel soll das heißen? Sollen sie dasitzen und sich gegenseitig anglotzen? «Könnten nicht Sie mir Fragen stellen?», sagt René.
«Ich folge lieber Ihrem Gedankenfluss, ohne ihn umzulenken.»
«Und wenn mir das nicht gelingt?»
«Können wir warten.»
«Schweigend?»
«Auch schweigend. Warum nicht? Es ist nichts Verkehrtes am Schweigen.»
So verharren sie eine weitere Minute. Angst macht sich in der Brust des Feldwebels breit. Sie vermischt sich mit dem Unbehagen, stumm einem Menschen gegenüberzusitzen, den er nicht kennt, mit dem Gefühl, bei einem Vergehen auf frischer Tat ertappt worden zu sein. Hastig sichtet sein Gehirn die Themen, mit denen er anfangen könnte. Da war eine Sache, die er gern sagen würde, eine Sache, die ihm am
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