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Der menschliche Körper

Der menschliche Körper

Titel: Der menschliche Körper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Giordano
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Einvernehmen zwischen dem Oberleutnant und dieser Geheimdienstfrau ist ihm natürlich nicht entgangen!). Egitto hat nichts geantwortet, hat ihm zwei Schachteln Paracetamol in die Hand gedrückt und hat ihn entlassen.
    Seitdem er nicht mehr offiziell krank ist, hat Torsu auch bestimmte überflüssige Ängste abgelegt, wie die Geschichte mit dem Bein. Wenn er jetzt daran denkt, kommt ihm das mehr oder minder wie eine Fieberphantasie vor. Zur Sicherheit hat er sich aber trotzdem von den Jungs von der Logistik ein Metermaß ausgeliehen und seine unteren Extremitäten abgemessen, von der Ferse bis zur Hüfte, und eine Differenz von gerade mal einem halben Zentimeter festgestellt, nicht besorgniserregend also.
    Was ihm hingegen Sorgen macht, ist das Schweigen, mit dem Tersicore 89 ihn seit ihrem Streit straft. Sie hat auf keine seiner Botschaften geantwortet, auch dann nicht, als der Soldat ihr schrieb, er bereite sich auf einen Einsatz von einigen Tagen in der Wüste vor, wobei er die damit verbundenen Gefahren etwas übertrieb. Er beginnt die Hoffnung zu verlieren. Er ist so traurig, dass er keinen Fuß in die Ruine gesetzt hat, um am Fest teilzunehmen. Nachdem Cederna ihn aus dem Zelt geworfen hat, hat er sich draußen auf den Boden gesetzt. Er sitzt im Schneidersitz und hält den Laptop auf den Beinen. Bei Tersicores Profil heißt es
nicht online
, aber er traut dem nicht. Er ist sich fast sicher, dass sie seine Appelle liest. Um diese Zeit reden – redeten – sie gewöhnlich immer miteinander.
    THOR _ SARDEGNA : Könnten wir nicht darüber reden?
    TERSICORE 89 :
    THOR _ SARDEGNA : Ich habe dir doch schon geschrieben, dass es mir leidtut, schon oft. Was soll ich denn sonst noch machen? Es ging mir nicht gut, es ist normal, dass man was Falsches sagt, wenn es einem nicht gutgeht, das kann jedem passieren.
    TERSICORE 89 :
    THOR _ SARDEGNA : Ich bitte dich, schreib etwas, und wenn es eine Beschimpfung ist. Nur lass mich fühlen, dass du da bist.
    TERSICORE 89 :
    THOR _ SARDEGNA : Ich habe Angst vor dem, was morgen passiert. Ich will mit dir reden.
    TERSICORE 89 :
    THOR _ SARDEGNA : Egoistin!
    Der Monolog füllt zwei Bildschirmseiten, ein einziges Auf und Ab von Entschuldigungen, Flehen und wütenden Beschimpfungen. Seine Phantasie ist fast erschöpft, und seit etwa zehn Minuten schreibt er nichts mehr, er hat das Kinn auf die Fäuste gestützt und haut wütend auf die Tastatur, sobald der Bildschirm dunkel wird. Das übliche abendliche Fieber bringt seine Stirn zum Glühen und verwirrt ihn – mittlerweile beachtet er das schon gar nicht mehr.
    Ein Soldat taucht plötzlich aus der Dunkelheit auf und erschreckt ihn. «Wer ist da?»
    «Ietri.»
    «Warum läufst du im Dunkeln herum, Idiot?»
    Ietri ist kalt, er reibt sich die nackten Arme mit den Händen. «Ich hab mir nur kurz die Beine vertreten.»
    «Ohne Taschenlampe? Du bist wirklich bescheuert.»
    Der Kamerad zuckt mit den Schultern. «Ich geh schlafen», sagt er, «das Fest war öde.»
    «Du kannst nicht ins Zelt.»
    «Und warum nicht?»
    «Cederna hat gesagt, ich soll niemand reinlassen», sagt Torsu. «Er ist mit Zampa dadrin.»
    «Mit Zampa? Was machen sie denn?»
    Torsu hebt den Blick vom Bildschirm und fixiert die dunkle Gestalt des Kameraden. «Na, was meinst du?»
    Ietri steht reglos da.
    «Was hast du?», fragt Torsu.
    «Nichts.»
    Dann verschwindet er endlich wieder in der Nacht. Was für ein Trottel. Torsu starrt auf den verwaisten Bildschirm.
    THOR _ SARDEGNA : Wenn es sein muss, warte ich die ganze Nacht.
    TERSICORE 89 :
    THOR _ SARDEGNA : Ich rühr mich nicht vom Fleck, bevor du mir nicht antwortest.
    TERSICORE 89 :
    Der blaue Balken läuft bis zum Ende, und alles bleibt wie vorher.
    «Nein», murmelt der Soldat. Niemand kann ihn hören, aber er wiederholt: «Nein, nein, nein, nein … nein. Ich bitte dich, ich beschwöre dich, nein.»
    Der Obergefreite Angelo Torsu wird nicht die ganze Nacht aufbleiben, wie er versprochen hat, eine halbe Stunde aber wohl, die Zeit, die nötig ist, damit Cederna und Zampieri mit ihrer Sache im Zelt fertig werden, und ungefähr die Zeit, die Ietri braucht, um sich in der FOB zu verlaufen, er stolpert mehrmals und riskiert, sich den Hals zu brechen. Er hat versucht, ein wenig zu weinen, aber nicht einmal das ist ihm gelungen. Er ist nicht einmal imstande, verzweifelt zu sein, wie er es eigentlich sein müsste. Und jetzt hat er die Orientierung verloren und befürchtet, den Weg zurück zum Quartier der Charlie nicht

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