Der menschliche Körper
der Feind mit dem Lince anfangen würde, wenn er ihn in seinen Besitz brächte!). Die einzige Möglichkeit ist zu versuchen, ihn hochzuheben und zurückzuziehen. Aber das Ding wiegt zehn Tonnen.
Die Sicht ist gut, daher sind fast alle ausgestiegen und empfinden wenigstens in den ersten Minuten Dankbarkeit gegenüber demjenigen – wer auch immer das war –, der diesen Halt verursacht hat. Sie nutzen die Zeit, um sich die Beine zu vertreten, sie fassen sich an die Knöchel und beugen den Rumpf nach der einen und der anderen Seite. Sie wollen das Gewicht des Fahrzeugs verringern. Nach den Insassen werden auch Gepäck und Munition hinausbefördert. Cederna und Di Salvo bauen die Browning von der Lafette ab, und nun gibt es nichts mehr wegzunehmen, es sei denn, man wollte die Sitze ausbauen, wie jemand vorzuschlagen gewagt hat.
Nichts zu machen. Auch wenn sie versuchen, den Lince mit sechs oder gar mit zwölf Paar kräftigen Armen hochzuheben, er rührt sich nicht vom Fleck. René ist wütend, und er ist nicht der Einzige: Hauptmann Masiero hat seinem Unmut per Funk Ausdruck gegeben und mitgeteilt, dass er keinerlei Absicht habe, haltzumachen, nur weil Goldlöckchen nicht fahren kann. Er hat beschlossen, den Konvoi vorerst zu teilen, und der Feldwebel hat nicht einzuwenden gewagt, dass das eine überaus gefährliche Aktion ist. Er weiß, der Hauptmann würde ihm nur über den Mund fahren und dann doch nach eigenem Gutdünken handeln.
Masiero ist mit der Pioniereinheit und dem Großteil der Militärfahrzeuge weitergefahren, um für die Entminung des Geländes Zeit zu haben. Sobald der Schaden des Lince behoben ist, kann der Rest des Konvois sie mit erhöhter Geschwindigkeit einholen. Die Jungs vom dritten Zug und die LKW -Fahrer haben die vorausfahrenden Fahrzeuge hinter den Bergen verschwinden sehen. Sie sind jetzt allein. Ihre Lage ist so tragisch wie einfach: Je länger sie brauchen, um den Schaden zu beheben, umso weiter wird die Strecke sein, die sie ohne Deckung durch das ACRT zurücklegen müssen, plötzlich an vorderster Front, barfuß und mit verbundenen Augen auf vermintem Gelände. Je mehr Zeit sie verlieren, umso größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass ein dummer Unfall sich in eine viel größere Katastrophe verwandelt.
Also legen sie sich ins Zeug, jeder, so gut er kann. Sie ziehen sich Muskelzerrungen im Bizeps und Schnittwunden an den Händen zu beim Versuch, das Fahrzeug hochzuheben. Auf Zuruf packen sie gleichzeitig an, bis ihnen die Luft ausgeht. Sogar die Afghanen ahnen die Gefahr, sie scharen sich um den Lince zusammen und geben Ratschläge, die keiner versteht.
Die Obergefreite Zampieri steht als Einzige abseits. Nachdem sie sich abgemüht hat, diesen Haufen Schrott voranzubringen, und dabei die Kupplung praktisch zum Glühen gebracht hat, ist sie jetzt ganz damit beschäftigt, das Weinen zurückzuhalten, das ihr die Kehle zuschnürt. Was ist ihr nur passiert? Warum hat sie das Loch nicht gesehen? Sie vermutet, sie war fast am Einschlafen. Seit über einer Viertelstunde hatte sie Mühe, die Augen offen zu halten. Die Vorstellung, einfach das Gesicht auf das Lenkrad zu legen und zu schlafen, war verführerisch, und statt sich eine Flasche Wasser über den Kopf zu kippen, hat sie sich einlullen lassen.
Was für eine Idiotin! Sie könnte sich ohrfeigen. Sie beschränkt sich darauf, die Zähne in den rechten Daumen zu schlagen, wo der Nagel ohnehin schon bis zum Gehtnichtmehr abgenagt ist. Sich die Fingerkuppen abzunagen, hat eine unmittelbar beruhigende Wirkung auf sie. Bei den regelmäßigen Kontrolluntersuchungen sprechen die Ärzte sie immer auf dieses Laster an, aber sie überhört das. Während sie vom gepeinigten Daumen zum Mittelfinger übergeht (der weniger Befriedigung bietet, außer der Lust, etwas Intaktes zu ruinieren), durchläuft sie eine nach der anderen die Phasen, die sie von vergleichbaren Situationen her kennt, wenn sie irgendeinen furchtbaren Blödsinn angestellt hat: Scham, der Wunsch, zu verschwinden, heftige Wut, Rachegelüste.
Cederna kommt auf sie zu. Er legt ihr einen Arm um die Schulter, mehr kameradschaftlich als liebevoll. Gestern Abend war Zampieri davon überzeugt gewesen, dass sie ihm wirklich gefällt, aber jetzt weiß sie, dass es in der allgemeinen Aufregung passiert ist und nur einen Moment lang angehalten hat. Schon als sie ins Zelt gingen, hatte sie den Eindruck, Cederna wolle es nur in Ermangelung einer besseren Alternative mit ihr treiben. Seit jeher
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