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Der menschliche Körper

Der menschliche Körper

Titel: Der menschliche Körper Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Giordano
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ist Giulia Zampieri diejenige, mit der die Männer sich vergnügen. Keiner entscheidet sich ernsthaft für sie. Sie blenden den Kopf aus und treiben es mit ihrem Körper. Sie weiß das, und nach außen hin ist ihr das völlig egal.
    Sie hat versucht, das Vergnügen zu genießen, und später, als sie nicht einschlafen konnte, hat sie Cedernas Leistung beurteilt, ebenso kühl, wie Männer ihre Bettgenossinnen beurteilen. Nichts Besonderes, hastig und repetitiv. Sie hat versucht, die nagende Unzufriedenheit zum Schweigen zu bringen, die mehr verlangt hätte, Besseres, und nicht nur im Hinblick auf Sex. Sie ist eingeschlafen mit dem Verdacht, dass sie schon zu lang in ihn verliebt ist, eine unannehmbar lange Zeit, und mit der Furcht, dass das Abenteuer das Behältnis, in dem dieses Gefühl abgeschlossen lag, geöffnet haben könnte.
    «Das hätte jedem passieren können», sagt Cederna. «Sicher, es ist ein Scheißdesaster. Aber es hätte jedem passieren können. Das heißt fast jedem. Mir zum Beispiel wäre das nicht passiert.»
    Zampieri schweigt. Sie schüttelt den Arm ab.
    «Wenn du nicht über ein Hindernis hinausschauen kannst, musst du es immer seitlich angehen», fährt er fort. «Du weißt nicht, wie steil es dahinter ist.»
    «Willst du mir beibringen, wie man fährt, du Idiot?»
    «He, nicht aufregen. Ich gebe dir nur ein paar Ratschläge.»
    «Ich brauche deine Ratschläge nicht. Warum haust du nicht einfach ab und lässt mich in Frieden?»
    Cederna zwinkert ihr zu. Er ist wirklich ein Großkotz. Wie kann ihr so einer nur gefallen?
    Er beugt sich zu ihrem Ohr und flüstert ihr zu: «Vielleicht bist du ja nur ein bisschen müde. Auf diesem Feldbett hast du dich ziemlich verausgabt.»
    Das ist es. Das denkt Cederna über sie. Dass sie die Frau ist, bei der die Männer sich Frechheiten herausnehmen können, zu der sie Sätze sagen wie
du hast dich verausgabt auf diesem Feldbett
und mit der sie all die Schweinereien machen können, die sie sich gewöhnlich nur vorzustellen wagen.
    Sie versetzt ihm einen Stoß. «Ich bin überhaupt nicht müde, verstanden? Wenn du es genau wissen willst, du hast nicht lang genug durchgehalten, dass ich auch nur
hätte anfangen können
, müde zu werden.» Das sagt sie laut, sodass die anderen es auch hören können. Und tatsächlich schauen sie sich neugierig um.
    Cederna packt sie am Arm. «Was zum Teufel hast du denn, he?»
    «Vielleicht ist der Moment gekommen, dass wir erzählen, was du wirklich draufhast, Francesco Cederna. Damit es alle wissen.»
    «Sei still!» Cederna holt mit der Rechten zu einer Ohrfeige aus, und es ist nicht klar, ob er den Mut gehabt hätte, sie ernsthaft zu schlagen, denn aus dem Nichts taucht Ietri auf und stellt sich zwischen die beiden.
    «Was geht hier vor?»
    «Verpiss dich, Jungfräulein.»
    «Ich habe dich gefragt, was hier vorgeht.»
    Cederna tritt zu ihm, sozusagen unter seine die Nase, weil Ietri ihn um Haupteslänge überragt. «Verpiss dich, hab ich gesagt.»
    «Nein, Cederna, ich verpiss mich nicht. Verpiss du dich.» Ietris Stimme ist vor Aufregung leicht belegt.
    Am äußersten rechten Rand von Zampieris Gesichtsfeld ist der festgefahrene Lince mit den Jungs rundherum, die sich daran zu schaffen machen, in der Mitte das aggressive Profil Cedernas und ganz links, unscharf, das von Ietri. Zampieri ist zugleich da und nicht da. In diesem Augenblick bewohnt sie ein leeres weißes Herz. Ihre Arme zittern, und die Wangen glühen. Die Männer wissen immer, was sie mit ihr anfangen sollen, aber sie hat gelernt, was sie mit den Männern anfangen kann.
    Langsam wendet sie sich um. Sie legt Ietri eine Hand in den Nacken und zieht ihn zu sich her. Der sinnliche Kuss, den sie ihm auf die Lippen drückt, hat keinerlei gefühlsmäßige Bedeutung, er ist ein klarer Racheakt, ein Akt der Selbstverteidigung und der Zähmung des wilden Tieres, das sie bedroht.
    Mit einem Schmatz nimmt sie die Lippen weg und sieht Cederna, der blass geworden ist, von der Seite an. «Du solltest deinen Freund hier bitten, dir mal was beizubringen, weißt du das? Von wegen Jungfräulein. Er weiß, wie man’s macht.»
     
    Es ist fünf Uhr vorbei, und die Sonne steht tief am Horizont, als René beschließt, einen letzten Versuch zu wagen. «Wir ziehen ihn mit dem Ambulanzwagen raus.»
    «Damit riskieren wir, dass beide auseinanderbrechen.»
    «Wir ziehen ihn mit dem Ambulanzwagen raus, habe ich gesagt.»
    Sie nehmen ein doppeltes Abschleppseil, René setzt sich selbst ans

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