Der menschliche Körper
Ambulanzwagen. Kommen.»
Weiterhin Schweigen.
«Camporesi, hast du gehört?»
«Verstanden, Ende.»
Doch als er auf die Trage zurückkehrt, findet er sie weniger bequem als vorher. Er spürt plötzlich ihre Härte und bemerkt, dass die Arme, wenn er auf dem Rücken liegt, seitlich herabfallen, dass er sie also auf dem Bauch falten muss wie eine Leiche im Sarg. Vielleicht war es die Sache nicht wert, sich wegen ein bisschen mehr Platz das Gewissen zu belasten, aber es ist nun mal geschehen. Es erstaunt ihn, dass die Gewissensbisse dann doch nicht so stark sind.
Nachdem er sich die Zähne trocken mit einer Plastikzahnbürste geputzt hat, streckt Oberleutnant Egitto sich auf der Trage daneben aus. Sie sind die beiden ranghöchsten Militärs in diesem Überbleibsel von einem Konvoi, und sie sind diejenigen, die die angenehmste Nacht verbringen werden. Es ist beschämend und ungerecht, aber so ist es nun mal auf der Welt. Vielleicht ist es an der Zeit, dass René lernt, damit umzugehen. Er atmet die verbrauchte Luft ein.
Es ist der Abend des ersten Tages, und sie haben fünfzehn Kilometer zurückgelegt.
Die Köpfe von Angelo Torsu und Enrico Di Salvo schauen in der rosigen, eisigen Morgendämmerung im Tal aus dem Turm des Lince heraus. Die beiden MG -Schützen haben verklebte Augen und steife Beine. Neben den Wolldecken, die sie um den Hals gewunden tragen, ragen die eigenartigen Läufe der Brownings heraus.
«He», sagt Torsu.
«He.»
Sie flüstern.
«Ich muss mal raus.»
«Das geht nicht. Du musst durchhalten.»
«Nein, ich muss
wirklich
raus.»
«Wenn René dich erwischt, bist du geliefert.»
«Er schläft. Ich sehe das von hier aus. Gib mir Deckung.»
Torsus Kopf verschwindet ein paar Sekunden lang, eine Ente, die in einem Teich nach Fischen taucht. Als er wieder hervorkommt, hat er eine Rolle Klopapier zwischen den Zähnen. Er stemmt sich aus dem Turm heraus. Er läuft über die Kühlerhaube, wobei er sich mit ausgebreiteten Armen im Gleichgewicht hält. Dann setzt er einen Fuß auf den Kotflügel und springt hinunter.
«Beeil dich!», flüstert Di Salvo.
Torsu hat eine passende Stelle ausgemacht, einen großen Felsbrocken mitten im Flussbett, der in den Zeiten, als da noch der Fluss war, aller Wahrscheinlichkeit nach die Strömung teilte und kleine Wirbel entstehen ließ. Die ganze Nacht hindurch hat er den vom Licht des Vollmonds erhellten Felsen sehnsüchtig angesehen, in den Pausen einer Benommenheit, die dem Schlaf nur ähnelte.
Um das, was von oben kommen könnte, ein gezielter Genickschuss zum Beispiel, macht er sich keine Sorgen. Wenn der Feind ihn hätte treffen wollen, hätte er das längst getan. Ihm macht mehr Angst, was sich unten verstecken könnte. Vom Lince bis zu dem Felsbrocken sind es etwa vierzig Schritte. Vierzig Gelegenheiten, den Fuß auf eine Sprengfalle zu setzen und vom Angesicht der Erde zu verschwinden. «Die Explosion, die du nicht hörst, ist diejenige, die dich getötet hat», hat Masiero im Kurs gesagt.
Torsu macht möglichst große Schritte und gibt sich Mühe, die Füße nur ganz leicht aufzusetzen (er weiß, dass das nichts nützt: Wenn da ein Sprengsatz ist und er darauftritt, dann gute Nacht). Am Anfang zögert er und dreht sich nach jeder zweiten Bewegung um, wie um sich von Di Salvo ermuntern zu lassen. Der Kamerad macht ihm Zeichen, er solle gehen, weitermachen, René könne jeden Augenblick aufwachen, und die Strafe treffe dann auch ihn, weil er zugelassen hat, dass der Sarde gegen die Vorschriften verstößt.
Noch ein Schritt. Es macht keinen Unterschied, ob man im Zickzack oder geradeaus läuft, dann kann man auch gleich die kürzeste Strecke wählen.
Die Hälfte des Wegs hat er schon geschafft. Er gewinnt Zutrauen, jetzt geht er schneller voran. Sein Gedärm freut sich auf die Sitzung und zieht sich immer mehr zusammen. Torsu wird noch schneller. Die letzten Meter rennt er. Bevor er um den Felsen herumgeht, bückt er sich, nimmt einen Stein und wirft ihn ein Stück weiter vor, um Vipern, Skorpione, giftige Spinnen und wer weiß was sonst noch alles in die Flucht zu schlagen.
Endlich ist er allein. Er lässt die Hosen herunter. Die Kälte beißt angenehm in die nackten Oberschenkel. Sein Penis hat sich zurückgezogen, eingerollt, er sieht aus wie eine Haselnuss. Er schüttelt ihn mit den Fingern, aber der ist störrisch und gibt nur ein erbärmliches, sehr dunkles Rinnsal Urin von sich.
Wie gedemütigt er sich fühlte! Die ganze Zeit über war er da
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