Der menschliche Körper
die anderen MG -Schützen feuern mit der Browning, was das Zeug hält. Sie schießen auf jemanden, den sie nicht sehen, aufs Geratewohl und im Wesentlichen nach oben.
Mattioli schießt.
Mitrano schießt. Keiner hatte Zeit zu verstehen, aus welcher Richtung die Panzerfaustgranate gekommen ist, also zielen sie auf die Schafe, die sich den Abhang hinunterstürzen, als käme die Bedrohung von ihnen. Bald jedoch wird klar, was Sache ist, weil der Feind anfängt, sie mit allem, was er zur Verfügung hat,
von allen Seiten
zu beschießen. Der Mörserbeschuss kommt aus den Dörfern Terikhay und Khanjak, und man sieht, dass die Schützen Gelegenheit hatten, sich gut zu platzieren, denn sie zielen bis auf wenige Dutzend Meter genau. Gewehrsalven treffen den Konvoi von vorne und von beiden Seiten, dazu kommen Splittergranaten, die am Himmel zerplatzen und ihnen auf die Köpfe regnen. Die Hölle. Die Hölle auf Erden.
Pecone, Passalacqua und Simoncelli schießen.
Cederna macht zwei bewaffnete Schatten aus, oben auf neun Uhr, und er hört nicht auf, bis er beide unschädlich gemacht hat. Die Befriedigung, die er empfindet, als der erste Schatten nach hinten kippt, kommt jedoch nicht an das heran, was er sich vorgestellt hatte, es geht zu schnell und ist zu weit weg. Fast ist es befriedigender, auf dem Schießstand auf der Schießscheibe ins Schwarze zu treffen.
Ruffinati schießt.
Ietri führt seine Aufgabe mit Eifer aus, was nicht weiter schwer ist: Di Salvo den Patronengurt halten und in der Zeit zwischen einem Feuerstoß und dem nächsten versuchen, mit dem Fernglas den Feind auszumachen, um die Position an Cederna weiterzugeben. Wie ruhig er ist. Er begreift kaum, was vor sich geht. Ein Schaf reibt sich am warmen Metall der Wagentür, dann starrt es ihm in die Augen, wie hypnotisiert starrt er zurück, bis Di Salvo ihm zuruft: «Mach weiter, du Idiot!»
Allais, Candela, Vercellin und Anfossi schießen.
René schreit über Funk: «Vorwärts, vorwärts, vorwärts, vorwärts, vorwärts.»
Zampieri müsste anfahren, weil sie die Erste in der Reihe ist, aber sie ist wie versteinert. Sie denkt an nichts, sieht nur all diese Schafe und fragt sich, was sie da machen, auch wenn die wesentlich naheliegendere Frage wäre, was
sie
da macht.
Camporesi hupt, um Zampieri aufzurütteln. Niemand hört ihn, es ist zu laut.
Eine Panzerfaustgranate jagt einen weiteren LKW in die Luft.
Egitto wird einige Sekunden lang vom Explosionsblitz einer Mörsergranate geblendet, die mit einem Schlag ein Dutzend Schafe tötet. Der Ambulanzwagen erbebt.
«Vorwärts, vorwärts, vorwärts.»
Die Schafe gebärden sich wie verrückt, sie machen kehrt und klettern den Hang hinauf, sie stoßen mit denen zusammen, die herunterkommen, gemeinsam rutschen sie ein paar Meter weit, aber sie fallen nie um.
«Vorwärts, verdammt noch mal, vorwärts!»
Camporesi gibt Gas, schert nach rechts aus, um an Zampieris Fahrzeug vorbeizukommen, mit quietschenden Reifen überholt er sie, einige Schafe weichen aus, um ihn vorbeizulassen, die anderen überfährt er gnadenlos, er setzt sich an die Spitze, zerteilt die blökende Masse, gerät mit dem linken Hinterrad auf einen Druckzünder, bestehend aus zwei Graphitlamellen und 1 , 5 -Volt-Alkaline-Batterien, löst die darunter angebrachte Ladung aus und fliegt in die Luft.
Die verkohlten Teile des Lince liegen im trockenen Gras herum, Ietri schaut sie durch das schlammverspritzte Fenster an. Er könnte die Scheibe mit dem Unterarm abwischen, um besser zu sehen, aber ein Teil von ihm weiß, dass der Schmutz vor allem außen ist und das keinen Sinn hätte. Als er genauer hinsieht, erkennt er, dass einige der Stücke am Boden, die kleineren, keine mechanischen Teile, sondern Körperteile sind. Zum Beispiel ein Goretex-Stiefel, der mit etwas oben dran schön aufrecht auf der Sohle steht. Bei anderen Teilen ist Ietri sich nicht sicher, worum es sich handelt. So reißt es also einen menschlichen Körper in Stücke, denkt er.
Das Feuer greift vom Fahrzeug auf die Sträucher über und breitet sich strahlenförmig ein paar Meter weit aus.
Wie viele Schafe werden bei der Explosion getötet worden sein? Vielleicht fünfzig, vielleicht mehr, ein blutiger Fellteppich, darüber breitet sich Rauch aus, der in dichten Schwaden aus dem brennenden Fahrgestell quillt. Das Wort
Hekatombe
taucht in Enrico Di Salvos Hirn auf. Hätte man ihn gestern oder auch nur vor ein paar Minuten nach dessen Bedeutung gefragt, so hätte er keine
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