Der menschliche Körper
Antwort gewusst. Hekatombe? Heka-
was
? Jetzt hingegen ist es da, dieses schwierige Wort aus dem Wörterbuch, aufgetaucht aus den Tiefen des Gedächtnisses, präzise und zielgenau wie ein Pfeil, der sich in den Grund eines Brunnens bohrt:
Hekatombe
.
Salvatore Camporesi, Cesare Mattioli, Arturo Simoncelli und Vincenzo Mitrano existieren nicht mehr. Sie haben sich entmaterialisiert.
Nach einem pyrotechnischen Kunststück liegt Angelo Torsu dreißig Schritt von dem zerstörten Fahrzeug entfernt auf dem Rücken. Er hat das Bewusstsein verloren, aber kurz darauf wiedererlangt. Er spürt keines seiner Glieder, er ist blind und atmet kaum. Es gäbe Wichtigeres zu denken, er aber sorgt sich vor allem, dass eins der Schafe kommen und an ihm lecken könnte, ihm graut davor, im Dunkeln eine raue Zunge zu spüren. Er blutet überall ein bisschen, und er weiß es.
Feldwebel René hat seinen inneren Appell beendet. Er war langsamer als sonst, aber das Ergebnis, zu dem er gelangt ist, entspricht der Wahrheit. Von seinen Männern fehlen Camporesi, Mattioli, Mitrano und Simoncelli. Torsu liegt dort hinten, reglos, wahrscheinlich zu den Abwesenden zu zählen. Seine Augen füllen sich – und das ist eine echte Neuheit – mit Tränen.
Es genügt nicht, heldenhaft zu sein, um ein Held zu sein
.
Der Feind hat aufgehört zu schießen, fängt aber, hochmütig geworden, fast sofort wieder damit an. Cederna ist als Einziger geistesgegenwärtig genug, das Feuer zu erwidern. Er schießt, lädt nach, schießt, lädt nach, schießt, lädt nach, ohne Luft zu holen.
Zu den letzten Erlebnissen mit seinem Vater, an die Ietri sich erinnern kann, gehört die Nacht, in der sein Vater ihn aufweckte, um ihm die brennenden Stoppelfelder zu zeigen. Die Landschaft stand in Flammen, die gesamte Daunia brannte, rote Hügel vor Schwarz.
Zampieri erkennt bizarre Formen in den Rauchwolken: einen Baum, eine Hand, einen riesigen Drachen.
All das kann einfach nicht wahr sein
.
Mit einem Knacks beginnt Torsus Zwerchfell wieder zu arbeiten. Auch sehen kann er wieder (aber nicht ganz, das linke Auge ist geschwollen, und das Lid lässt sich nur zur Hälfte öffnen). Torsu sieht nur einen Ausschnitt des Himmels. Wo auch immer er sich befindet, er muss den anderen zu erkennen geben, dass er noch am Leben ist. Vorausgesetzt, dass es die anderen noch gibt. Er rafft alle Kraft zusammen, die er noch im Leib hat, lenkt sie in den rechten Arm und hebt ihn mit einer ungeheuerlichen Anstrengung hoch.
«Er lebt! Torsu lebt!»
Auch René hat den gehobenen Arm bemerkt. Aus allen Fahrzeugen erreicht ihn per Funk die Nachricht, gefolgt von der Aufforderung zu handeln, um den Kameraden in Sicherheit zu bringen. Aber wer sich aus der Deckung wagt, riskiert, dabei draufzugehen. Schon wieder muss er wegen Torsu eine unbequeme Entscheidung treffen. Elender Sarde!
Feldwebel René, der Unteroffizier, der gern Hauptmann wäre, der unerschrockene Soldat, weiß nicht, was tun.
«Charlie drei eins an Med. Charlie drei eins an Med. Bitte um Erlaubnis, den Verwundeten zu bergen. Kommen.»
René dreht sich zu Oberleutnant Egitto um. Er ist schließlich der Kommandant. «Was machen wir, Doc?»
Di Salvo muss die Browning ruhenlassen, will er den Lauf nicht überhitzen. Er nimmt das Sturmgewehr und schießt damit weiter.
Das Geknatter von Hubschrauberrotoren kommt näher. Es sind zwei. Zwei Hubschrauber! Sie kommen. Wir sind gerettet!
Egitto antwortet René: «Wir warten.»
Torsus Arm fällt zu Boden. Er fängt an zu weinen.
Unbesonnenheit ist das Wunder der Jugend. Ietri ist der Jüngste von allen. Er ist gerade einmal zwanzig. Er hat Torsus Arm in die Höhe gehen und dann zurückfallen sehen. Ich bin Soldat, sagt er sich. Ich bin ein Mann. Zampieris Kuss brennt ihm noch auf den Lippen und macht ihm Mut. Ich bin Soldat, verdammt noch mal. Ich bin ein Mann! «Ich gehe und hole ihn», sagt er. «Du rührst dich nicht weg von hier», erwidert Cederna, der der Ranghöhere von beiden ist. Wie kann er sich erlauben, ihm Befehle zu geben? Nach dem, was er ihm angetan hat. Ietri öffnet die Tür und springt aus dem Wagen. Er läuft, weicht den Schafkadavern aus und den Körperteilen seiner Kameraden, und im Nu ist er bei dem Freund. «Jetzt bring ich dich weg von hier», verspricht er. Aber dann weiß er nicht, wie er es anstellen soll, ob er ihn an den Händen oder den Beinen schleifen oder ob er ihn hochheben und ihn sich über die Schulter legen soll. Und wenn die Wirbelsäule
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