Der menschliche Makel
aus. Die Mutter weigerte sich, ihr zu glauben. Man brachte sie zu einem Psychiater. Faunia erzählte ihm, was geschehen war, und nach zehn Stunden schlug sich der Psychiater auf die Seite des Stiefvaters. ›Auf die Seite dessen, der ihn bezahlt hat‹, sagt sie heute. ›Wie alle anderen.‹ Die Mutter hatte anschließend eine Affäre mit dem Psychiater. Das ist die Geschichte, wie sie sie erzählt. Und damit begann das harte Leben einer Frau, die allein zurechtkommen muss. Sie ist von zu Hause weggelaufen, von der Highschool, ist nach Süden gegangen, hat dort gearbeitet, ist wieder hinaufgezogen, in diese Gegend, hat alle möglichen Jobs gehabt, die sie kriegen konnte, und mit Zwanzig einen Farmer geheiratet, der älter war als sie, einen Milchfarmer und Vietnamveteranen, weil sie dachte, wenn sie sich anstrengen und Kinder haben und die Farm in Schwung bringen würden, könnte sie ein ruhiges, normales Leben führen, auch wenn der Kerl ein bisschen dumm war. Besonders wenn er ein bisschen dumm war. Sie dachte, es sei besser, wenn sie diejenige war, die Grips hatte. Sie dachte, das sei ein Vorteil. Aber sie irrte sich. Alles, was sie gemeinsam hatten, waren Schwierigkeiten. Die Farm ging den Bach hinunter. ›Dieser Wichser‹, sagt sie, ›hatte einen Traktor zu viel gekauft.‹ Und er verprügelte sie regelmäßig. Er prügelte sie grün und blau. Wissen Sie, was für sie der Höhepunkt ihrer Ehe war? Ein Ereignis, das sie als ›die große Warme-Scheiße-Schlacht‹ bezeichnet. Eines Abends stehen sie nach dem Melken im Stall und streiten sich über irgendetwas, und plötzlich lässt eine Kuh neben Faunia einen großen Fladen fallen, und Faunia hebt eine Handvoll davon auf und wirft sie Lester ins Gesicht. Er wirft eine Handvoll zurück, und so begann die Schlacht. ›Die Warme-Scheiße-Schlacht war vielleicht die beste Zeit, die wir miteinander hatten‹, sagt sie. Am Ende waren beide von oben bis unten voller Kuhscheiße und brüllten vor Lachen, und nachdem sie sich mit dem Wasserschlauch im Stall abgespült hatten, gingen sie ins Haus, um zu vögeln. Das allerdings überspannte den Bogen. Das machte hundertmal weniger Spaß als die Schlacht. Mit Lester zu vögeln machte nie Spaß - laut Faunia wusste er nicht, wie man das macht. ›So dumm, dass er nicht mal vögeln konnte.‹ Wenn sie mir sagt, ich sei der ideale Mann, antworte ich, dass ich verstehen kann, dass sie mich so sieht - immerhin war er mein Vorgänger.«
»Und was hat sie jetzt, mit Vierunddreißig, nachdem sie mit Vierzehn angefangen hat, mit warmer Scheiße gegen die Lesters dieser Welt zu kämpfen?«, fragte ich. »Abgesehen von wilder Klugheit. Härte? Scharfsinn? Wut? Verrücktheit?«
»Der Kampf des Lebens hat sie hart gemacht, besonders in sexueller Hinsicht, aber nicht verrückt. Jedenfalls glaube ich das bis jetzt nicht. Wut? Wenn sie da ist - und warum sollte sie das nicht sein? -, dann ist es eine heimliche Wut. Eine Wut ohne Wüten. Und obwohl sie ein Mensch ist, der in seinem Leben anscheinend gar kein Glück gehabt hat, beklagt sie sich nie - jedenfalls nicht in meiner Gegenwart. Was Scharfsinn angeht - nein. Manchmal sagt sie etwas, das scharfsinnig klingt. Sie sagt: ›Vielleicht solltest du mich als eine gleichaltrige Partnerin sehen, die nur zufällig so viel jünger aussieht. Ich glaube nämlich, das bin ich.‹ Als ich sie gefragt habe: ›Was willst du eigentlich von mir?‹, hat sie gesagt: ›Etwas Gesellschaft. Vielleicht ein bisschen Wissen. Sex. Vergnügen. Mach dir keine Sorgen. Das ist alles.‹ Als ich ihr mal sagte, sie sei sehr klug für ihr Alter, sagte sie: ›Ich bin sehr dumm für mein Alter.‹ Sie war deutlich intelligenter als Lester, aber scharfsinnig? Nein. Irgendetwas in Faunia ist permanent vierzehn und so weit entfernt von Schläue, wie es nur geht. Sie hatte eine Affäre mit ihrem Boss, dem Kerl, der sie eingestellt hat. Smoky Hollenbeck. Ich habe ihn eingestellt - er ist der Betriebsingenieur des Colleges. Smoky war hier mal ein Footballstar. In den Siebzigern kannte ich ihn als Studenten. Jetzt ist er Ingenieur. Er stellt Faunia für die Putzkolonne ein, und schon beim Einstellungsgespräch spürt sie, an was er denkt. Der Typ findet sie attraktiv. Er steckt in einer unaufregenden Ehe, aber er ist deswegen nicht wütend auf sie - er mustert sie nicht verächtlich und denkt: Warum hast du dich nicht irgendwo niedergelassen, warum streunst du noch herum wie eine läufige Hündin? Nein, von Smoky
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