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Der menschliche Makel

Der menschliche Makel

Titel: Der menschliche Makel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Roth
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hässlichste Mädchen zu. Wenn ich ihn auslachte, sagte er zu mir, ich wisse eben nicht, was ich mir entgehen ließe. Sie sind frustriert, sagte er. Sie sind nicht so hübsch wie deine Prinzessinnen, aber sie tun alles, was du willst. Die meisten Männer sind dumm, sagte er, weil sie das nicht wissen. Sie begreifen nicht, dass die hässlichste Frau, wenn du sie erst mal kennengelernt hast, auch die außergewöhnlichste ist. Vorausgesetzt, du schaffst es, sie rumzukriegen. Und wenn du das schaffst? Wenn du das schaffst, weißt du gar nicht, wo du anfangen sollst, weil sie von Kopf bis Fuß vor Verlangen bebt. Und alles nur, weil sie hässlich ist. Weil die Wahl nie auf sie fällt. Weil sie in der Ecke steht, während alle anderen tanzen. Und genauso ist es, ein alter Mann zu sein. Man ist wie die hässliche Frau. Die anderen tanzen, und man steht in der Ecke.«
    »Dann ist Faunia also Ihr Farriello?«
    Er lächelte. »Mehr oder weniger.«
    »Tja, was immer sonst noch gerade passiert«, sagte ich, »immerhin brauchen Sie sich dank Viagra nicht mehr der Qual zu unterziehen, dieses Buch zu schreiben.«
    »Ich glaube, da haben Sie recht«, sagte Coleman. »Ich glaube, das stimmt. Dieses blöde Buch. Habe ich Ihnen schon erzählt, dass Faunia nicht lesen kann? Das hab ich erst gemerkt, als wir eines Abends nach Vermont zum Essen gefahren sind. Sie konnte die Speisekarte nicht lesen. Hat sie einfach weggelegt. Wenn sie richtig verächtlich aussehen will, zieht sie die eine Hälfte ihrer Oberlippe ein bisschen hoch, nur ein ganz kleines bisschen, und dann sagt sie, was sie denkt. Die Bedienung kommt, und Faunia sagt ihr richtig verächtlich: ›Dasselbe wie er.‹«
    »Aber sie ist doch zur Schule gegangen, bis sie vierzehn war. Wieso kann sie dann nicht lesen?«
    »Die Fähigkeit zu lesen scheint zusammen mit der Kindheit verschwunden zu sein, in der sie lesen lernte. Ich habe sie gefragt, wie das geschehen konnte, aber sie hat bloß gelacht. ›Ganz einfach‹, hat sie gesagt. Die wohlmeinenden Liberalen in Athena wollen sie ermutigen, sich an einem Förderprogramm zu beteiligen, aber davon will sie nichts wissen. ›Und versuch du bloß nicht auch noch, mir was beizubringen. Du kannst mit mir alles machen, alles‹, hat sie an jenem Abend zu mir gesagt, ›aber versuch nicht diesen Scheiß. Schlimm genug, dass ich hören muss, was die Leute sagen. Wenn du mir Lesen beibringst, wenn du mich dazu zwingst, wenn du mich da hineinstößt, stößt du mich über die Klippe.‹ Auf dem ganzen Rückweg von Vermont hab ich geschwiegen, und sie ebenfalls. Erst als wir wieder hier waren, haben wir darüber gesprochen. ›Du bist nicht imstande, mit einer Frau zu vögeln, die nicht lesen kann‹, sagte sie. ›Du wirst mit mir Schluss machen, weil ich kein würdiger, vorschriftsmäßiger Mensch bin, der liest. Du wirst zu mir sagen: ,Lern lesen oder verschwinde.'‹ ›Nein‹, sagte ich, ›ich werde dich nur um so leidenschaftlicher vögeln, weil du nicht lesen kannst. ‹ ›Gut‹, sagte sie, ›dann verstehen wir uns also. Ich vögele nicht wie diese belesenen Frauen, und ich will nicht gevögelt werden, als wäre ich eine.‹ ›Ich werde dich als das vögeln, was du bist‹, sagte ich. ›Das ist gut‹, antwortete sie. Wir mussten inzwischen beide lachen. Faunia lacht wie eine Bardame, die für alle Fälle immer einen Baseballschläger griffbereit hat, und so lachte sie dieses rauflustige Ich-hab-schon-alles-gesehen-Lachen - Sie wissen schon, dieses raue, lässige Lachen einer Frau mit Vergangenheit -, und während sie lachte, fummelte sie schon an meinem Hosenschlitz herum. Dabei hatte sie vollkommen recht gehabt, als sie vermutet hatte, dass ich mit ihr Schluss machen wollte. Auf dem ganzen Weg von Vermont hierher hatte ich genau das gedacht, was sie vermutet hatte. Aber ich werde es nicht tun. Ich werde sie nicht zum Opfer meines wunderbaren ethischen Bewusstseins werden lassen. Und mich ebenfalls nicht. Das ist vorbei. Ich weiß, dass diese Dinge ihren Preis haben. Ich weiß, dass es keine Versicherung gibt. Ich weiß, dass etwas, das jemanden wieder auf die Beine bringt, schließlich genau das werden kann, was ihn umbringt. Ich weiß, dass die meisten Fehler, die ein Mann begeht, durch das Sexuelle verstärkt werden. Aber im Augenblick ist mir das eben einfach egal. Ich wache morgens auf, und da liegt ein Handtuch auf dem Boden, und auf dem Nachttisch steht Babyöl. Warum sind diese Sachen hier? Dann fällt es mir wieder

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